Samstag, 18. Januar 2014


Martin Lotter
Monatsthema 1/2014


M. Großmann  / pixelio.de
Einerseits sehe ich unsere aktuelle Lage und den Blick auf 2014 wie Herr Opaschowski. Ja, die Stimmung unter Jugendlichen ist positiv. Ja, man gewöhnt sich an Krisen und stellt immer wieder fest, dass nach einer Krise alles halb so schlimm war. Aber wir in Deutschland sind auch in einer guten wirtschaftlichen Lage. Diese Rahmenbedingungen helfen in der Bewältigung von Krisen.
Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass unsere heile Welt auf tönernen Füßen steht. Einige Ereignisse aus der Vergangenheit und konkret aus dem Jahr 2013 werden für uns auch 2014 und in den Folgejahren Herausforderungen sein. Nachfolgend habe ich zu einigen Themen meine Einschätzung beschrieben, und stelle sie somit zur Diskussion.

 
Natur
Blickt man zurück, so ist eine wichtige Erkenntnis, dass die Natur vom Menschen weder beherrschbar noch vorhersehbar ist. Naturkatastrophen werden auch 2014 Einfluss auf unser Leben haben, auch wenn sie sich nicht bei uns in Deutschland ereignen. Der Tsunami in Fukushima hat dazu geführt, dass die Autoproduktion in Europa behindert war weil Autoteile fehlten. Das Hochwasser in Thailand hat einen weltweiten Mangel von Festplatten zur Folge, weil ein Großteil der Festplatten in Thailand produziert wird. Der Vulkanausbruch in Island behinderte den Flugverkehr in ganz Europa. Trockenheit in den USA und Australien lassen weltweit die Getreidepreise explodieren. Egal welches der vergangenen Jahre man betrachtet, irgendwo in der Welt gab es größere oder kleinere Naturereignisse. Und auch 2014 wird davon nicht ausgenommen sein.
Kriege
Eine weitere bittere Erkenntnis ist, dass die religiöse und ethnische Toleranz in vielen Regionen der Erde nicht auf dem gleichen Niveau ist wie bei uns. Religiöse Konflikte, die es bei uns im Mittelalter gab (und an die heute noch mit Feiertagen wie dem Friedensfest am 8. August in Augsburg erinnert wird), sind in anderen Regionen immer noch akut oder flammen wieder auf. Beispielsweise der Konflikt im Irak zwischen Schiiten und Sunniten. Oder der neu aufkeimende Konflikt von Muslimen und christlichen Kopten in Ägypten. Hindus kämpfen in Indien gegen Muslime. Aktuell gibt es Stammeskonflikte im Süd-Sudan. Die Liste könnte man noch weiter fortführen. Auch 2014 wird gekennzeichnet sein von Meldungen über ethnische Säuberungen, terroristische Attacken einer Glaubensgemeinschaft gegen die andere oder kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Völkern.
EU
Wir müssen akzeptieren, dass die Probleme, die wir in der Europäischen Union haben, schon immer da waren und auch mittelfristig nicht gelöst werden können. Eine wesentliche Ursache der Probleme in Europa ist, dass die Unterschiede in den Mentalitäten zwischen den Nordeuropäern und den Südeuropäern größer sind als wir uns eingestehen wollen. (Die aktuelle Fernsehwerbung der Lufthansa spielt mit diesen Unterschieden.) Völker haben Kulturen und Kulturen haben Ausprägungen. Tugenden und Einstellungen wie Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Pünktlichkeit, Pflichtbewusstsein, Streben nach Perfektion, Forschergeist und vieles mehr sind unterschiedlich ausgeprägt. Dieses Verhalten ist bei einer einzelnen Person nicht relevant, aber auf ein ganzes Land betrachtet wirkt es sich aus. Im Positiven wie im Negativen. Einige Beispiele sollen das verdeutlichen. Wir in Deutschland fordern von einem Bundespräsidenten den Rücktritt, weil er sich womöglich zum Oktoberfest hat einladen lassen. Minister müssen zurücktreten, weil sie in Ihrer Doktorarbeit Plagiate haben. Die Italiener dagegen wählen eine Person drei mal zum Ministerpräsidenten, der offensichtlich Steuern hinterzogen hat und der Mafia „nahe“ steht. Wir sind erzürnt, wenn die Deutsche Bahn fünf Minuten Verspätung hat. Woanders wird eine Stunde Verspätung als Pünktlichkeit gepriesen. Selbst in deutschen Behörden gibt es Zeitkonten und Stechuhren. Pausen und Öffnungszeiten werden präzise eingehalten. In anderen Ländern pocht man auf seine „Siesta“ und nimmt es mit der Uhr nicht so genau. „Komm ich heute nicht, komm ich morgen.“ Wir bewundern im Urlaub die Lockerheit der Bürger am Mittelmeer. Aber Geld kann man mit dieser lockeren Einstellung in einer globalisierten Welt nicht verdienen. Asiaten sind nicht locker und haben dazu noch günstigere Löhne als Griechen und Spanier. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder leidet unter solchen Einstellungen. Nicht umsonst sind in der Eurokrise die Vorschläge von seriösen Politikern und Intellektuellen (die fern von rassistischem Gedankengut stehen) nach einem „Europa der 2 Geschwindigkeiten“ aufgekommen. In anderen Worten heißt das, dass die südeuropäischen Länder schlichtweg nicht so leistungsfähig und leistungswillig sind wie die nordeuropäischen (regional grob vereinfacht).
Für die Zukunft bedeutet das: Die EU-Länder werden 2014 weiterhin vor der Frage stehen, ob die EU in dieser Konstellation weiterbestehen soll oder ob einige Länder die EU oder zumindest den Euro verlassen können. Da dies politisch nicht gewollt ist, bedeutet es, dass die leistungsfähigen Europäer wie Deutschland die schwachen EU-Länder auch weiterhin und für lange Zeit alimentieren müssen. Die EU-Krise ist eine Dauerkrise, weil wir fundamentale Probleme haben und nicht nur finanzielle.
Ich zitiere Prof. Opaschowski aus seinem Beitrag: „Lebensgewohnheiten sind wie eine zweite Natur und haben fast die Wirkung einer Kleidung aus Eisen, die nur schwer zu sprengen ist…. Viele Menschen können einfach nicht aus ihrer Haut heraus – heute nicht und morgen auch nicht. … Der Wertewandel einer Gesellschaft besteht nicht darin, dass sich die Menschen sozusagen über Nacht verändern. Er vollzieht sich vielmehr allmählich in dem Maße, in dem die jüngere Generation einer Gesellschaft die ältere Generation Zug um Zug ablöst“ ..
So setzen wir jungen Menschen in Deutschland unsere Hoffnung auf die Jugend in den europäischen Krisenstaaten am Mittelmeer.
Deutschland und wir
Für uns Jugendliche gilt für die kommenden Jahre: Der Staat Bundesrepublik Deutschland wird künftig bedeutend weniger Sozialleistung an seine Bürger ausschütten, im Gegenteil mehr Steuern und Abgaben erheben, um auch nur ansatzweise seinen wesentlichen Verpflichtungen nachzukommen. Hintergrund ist, dass die Verschuldung von Bund, Ländern und Kommunen bedauerliche Spitzenwerte erreicht hat. Gleichzeitig wird Deutschland vermehrt seinen internationale Verpflichtungen nachkommen müssen. Sei es in der Nato aber vor allen Dingen in der EU. Dies kostet mehr Geld.
Aktuell ist diese negative finanzielle Situation noch nicht erkennbar, weil die Wirtschaft wächst und damit die Steuereinnahmen fließen. Die große Koalition konnte sich weitere Einschnitte in Sozialleistungen und weitere Steuererhöhungen ersparen – oder sie verschieben.Einige Beispiele sollen den schon lange andauernden Trend verdeutlichen:
Heute ist die Mehrwertsteuer - welche letztendlich wir als Bürger bezahlen - bei 19%. Vor 10 Jahren lag der Satz bei 14%. Der Liter Benzin kostet aktuell 1,50€. 1990 lag der Preis bei 0,55€ (1,10 DM). Wesentlicher Preistreiber ist die Mineralölsteuer. Die Beiträge zur Renten- und Krankenversicherungen steigen nahezu jährlich, die Pflegeversicherung ist vor einigen Jahren als zusätzliche Pflichtversicherung neu hinzugekommen. Selbst so nebensächliche Steuern wie Versicherungssteuer zeigen eine Entwicklung von 7% in 1989 bis zu heute 19%. Aktuell wird die Grunderwerbsteuer in einigen Bundesländern kräftig angehoben. Unsere Eltern bekamen früher Staatszuschüsse (Eigenheimzulage), wenn sie ein Haus bauten. Das Bafög musste man nicht zurückzahlen. Beides wurde gestrichen. Man könnte die Liste der Steuererhöhungen und der Streichung von Sozialleistungen beliebig fortsetzen.
Die Handlungsspielräume des Staates sind zunehmen begrenzt, weil seine finanzielle Ausstattung beschränkt ist. Der Ausweg über steigende Verschuldung ist nicht mehr möglich, weil die Verschuldung der Kommunen, Länder und des Bundes bereits sehr hoch ist. Leider haben die bisherigen Generationen auf unsere Kosten gelebt und zu unseren Lasten Schulden gemacht. Jetzt soll nach einem Vorschlag der Wirtschaftsministerin Bayerns auch noch die Energiewende auf Kredit finanziert werden.
Fazit: Wir jungen Bürger müssen uns um unsere Existenz selbst kümmern und können nicht auf Staatsunterstützung hoffen. Dies gilt nicht nur für 2014, sondern für unser gesamtes Leben.
Arabellion
Wir müssen uns darauf einstellen dass die „Arabellion" noch lange eine „Rebellion“ sein wird. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis stabile Demokratien etabliert sind. Der Grund ist einfach: Diese Länder sind noch nicht demokratiefähig. Das ist keine Kritik an den Bürgern. Auch wir in Deutschland haben in unseren demokratischen Anfängen zur Zeit der Weimarer Republik nicht geglänzt… Das Beispiel soll dies verdeutlichen. Die Ägypter haben nach dem Sturz des Präsidenten mit großer Mehrheit die Muslimbrüder gewählt. Die Ursache war, dass die Ägypter die anderen Parteien nicht einschätzen konnten, weil sie neu und fremd waren. Die Muslimbrüder waren eine bekannte Größe. Und die sind religiös. Religion ist ebenfalls eine bekannte und vertraute Größe. Fazit: Erst müssen sich demokratische Strukturen und ein demokratisches Verständnis ausprägen, bevor wir in diesen Ländern Stabilität sehen werden.
USA
Wir müssen akzeptieren, dass sich die USA auch weiterhin in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik nicht sonderlich um die Befindlichkeiten der Europäer geschweige denn der Deutschen kümmern werden. Der NSA-Skandal hat dies wieder gezeigt. Das Verhalten der USA ist losgelöst von der Frage, ob ein Republikaner oder ein Demokrat Präsident ist. Die verbale Verpackung des außenpolitischen Willens ist durch Obama eine andere als bei Bush, aber der Inhalt ist der gleiche. Friedensnobelpreis hin oder her.
Was ist Eure Meinung dazu?

2 Kommentare:

  1. Du hast Herrn Opaschowski sehr schön aufgegriffen!
    Größtenteils würde ich dir zustimmen. Jedoch könnte ich mir vorstellen, dass die EU mit viel Glück vielleicht irgendwann lernen wird, mit der Vielfalt in der Einheit umzugehen und davon zu profitieren - oder eine gemeinsame Mentalität zu finden.
    Bei deinen Zahlenbeipielen muss man bedenken, dass früher auch der Lohn geringer war - nichtsdestotrotz muss man sich zukünftig weniger auf den Staat verlassen, zumindest finanziell.

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  2. Die kulturelle Betrachtung der EU ist interessant. Natürlich gibt es da Unterschiede, die z.T. auch für wirtschaftliche Gegebenheiten verantwortlich sein mögen. Jedoch sollte man nicht vergessen, dass solche sog. "warmen" Kulturen auch jede Menge positive Seiten haben, wenn nicht im wirtschaftlichen Bereich, dann im Sozialen.

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