Sonntag, 2. März 2014

KW 9

Nicht nur unser Wettbewerb, sondern auch das Bundesverfassungsgericht hat die Europawahl zumindest etwas in die Öffentlichkeit gerückt  - ein Fall für das Wort der Woche.

Wort der Woche: Drei-Prozent-Klausel

"Die Europawahl ist eine seit 1979 in der Europäischen Union alle fünf Jahre stattfindende allgemeine, unmittelbare, freie und geheime Wahl, bei der die Abgeordneten des Europäischen Parlaments bestimmt werden"
So das Onlinelexikon. Jedoch fehlt dem Conaisseur des deutschen Wahlrechts ein ganz wichtiges Wort: gleich. Und hier beginnt eine unendliche Geschichte, an deren Ende wieder ein Grund steht, warum das Europaparlament so machtlos ist. Dabei ist es das einzige wirklich direkt legitimierte Organ der EU.
Denn obwohl wir es hier mit einem Staatenverbund zu tun haben, der sich ein Parlament geschaffen hat, durch das die Bevölkerung unabhängig von den Regierungen in den Mitgliedsstaaten Macht ausüben können, obwohl ein ganzer Kontinent wählt, obwohl am Ende die Abgeordneten aller vertretenen Staaten in grenzenüberschreitenden Fraktionen zusammenarbeiten, gibt es eine traurige Wahrheit: die Wahlen selbst sind nicht grenzenüberschreitend. 
Nicht nur, dass die Länder verschieden viele Sitze haben - das ergibt ja Sinn, auch wenn schon lange an diesem System herumgebastelt wird. Es kommen noch bizarre Diskrepanzen hinzu. Griechenland wählt zum Beispiel freitags. Das passive Wahlrecht hat eine Differenz von bis zu 7 Jahren. Manche Länder haben spezielle Wahlkreise, andere nicht. Und dann gibt es noch juristische Blüten wie Wahlpflicht und Panaschieren.
Als ob das noch nicht genug wäre, hat jedes Land seine eigene Sperrklausel. Das bedeutet: Eine spanische Zwergpartei zieht nach Straßburg ein, eine slowakische nicht.
Anstatt das Deutschland sich für ein einheitliches Wahlrecht in Europa einsetzt, nach dem Motto "Ein Parlament, ein Wahlrecht", braut es ganz kleinstaatlich sein eigenes Süppchen. Denn die Standardfrage bei Sperrklauseln lautet ja: Ist es nicht unfair, wenn meine Stimme unter den Tisch fällt, obwohl die Anzahl der Stimmen für zumindest einen Abgeordneten gereicht hätte?
Die Antwort auf nationaler Ebene ist ganz einfach: Das Parlament muss eine Regierung stellen, dazu braucht es eine regierungsfähige Mehrheit, und um diese zu gewährleisten eine Sperrklausel. Das ist zwar nicht wirklich zufriedenstellend, aber einleuchtend.
Das BVerG sieht das zumindest so - aber nicht auf Europaebene. Die deutsche 5%-Hürde wurde schon gekippt - sie sei unfair. Der schon fast grotesk anmutende Versuch, stattdessen eine 3%-Hürde durchzubringen, wurde diese Woche ebenso abgewiesen - mit einer fragwürdigen Begründung: Das EP müsse ja nicht regieren (im Sinne von eine Regierung bilden), brauche keine Mehrheit und deshalb auch keine Sperrklausel.
Denkt man genauer darüber nach, so sieht man, dass das BVerG auch nicht in Betracht zieht, dass das EP in den nächsten Jahrzehnten an Bedeutung gewinnen könne und eines Tages wirklich einmal eine europäische Regierung stellt - mit dieser Entscheidung und damit der Überflutung des EP mit wahrscheinlich 6 neuen Parteien rückt dies noch weiter in die Traumwelt.
Niklas Götz



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3 Kommentare:

  1. Freude: Im aktuellen Deutschlandtrend hat sich eine deutliche Mehrheit für mehr internationales Engagement ausgesprochen - nicht unbedingt militärisch, sondern vor allem diplomatisch. Es gäbe also Rückhalt in der Bevölkerung, wenn Deutschland beginnen würde, außenpolitisch (auch außerhalb Europas) aktiver zu werden.

    Ärger: Putin scheint nach dem Ende seiner Spiele und dem quasi-Sturz Janukowitschs jede Zurückhaltung aufgegeben zu haben. Es ist offensichtlich, dass er nicht akzeptieren wird, dass sich die Ukraine der EU zuwendet - also provoziert er einen Zerfall. Die Behauptung, für die russichstämmige Bevölkerung herrsche Gefahr, kann zwar nicht vollständig widerlegt werden - dies ist aber keine Legitimation für agressives Verhalten. Dabei hält er sich mit dem Militäreinsatz zwar an russisches, aber nicht an Völkerrecht.
    Dies muss Konsequenzen haben. Erste Schritte sind bereits unternommen - Obama warnte Putin vor politischer und wirtschaftlicher Isolation. Anstatt einen miltiärischen Einsatz seitens der NATO zu erwägen, sollten wirtschaftliche Sanktionen im Vordergrund stehen. Russlands wirtschaftliche Situation ist bereits kritisch - sollte die EU Einschränkungen im Handel vornehmen, kann dies Putins Widerstand vollständig brechen - zumindest nach einiger Zeit.

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  2. Freude: Mich hat die Geschichte des womöglich einzigen Menschen in der verstrahlten Zone um Fukushima berührt - er kümmert isch um zahlreiche zurückgelassene Tiere: http://www.tagesschau.de/ausland/weltspiegel742.html

    Ärger: Der Terroranschlag in China wird von der Regierung ohne Beweise sofort den Uiguren vorgeworfen. Besonders auffällig ist, dass der Anschlag vier Tage vor der jährlichen Parlamentssitzung stattfand. China geht radikal gegen die Uiguren vor; es liegt für mich der Verdacht nahe, dass die Regierung den Anschlag zumindest als hilfreiche Legitimation im Vorgehen gegen Uiguren sieht.

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  3. zum Urteil des BVerG: ds Signal welches damit gesendet wird ist, dass das Europaparlament weniger "wichtig" ist als der Bundestag. Dies wird nun noch weniger Bürger motivieren sich mit den Themen der Europawahl auseinanderzusetzen geschweige denn zu wählen. Obwohl der Trend in der Tagespolitik eigentlich ein anderer ist. Immer mehr Gesetze welche in Deutschland gelten sind eigentlich nur die Umsetzung von Europarecht. Formaljuristisch mag die Entscheidung des BVerG richtig sind, politisch ist sie unglücklich.

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