Niklas Götz
Es gab einen Ort auf der Welt, der den Namen Litten
nicht vergaß: Die DDR. Doch selbst wenn hier jeder Schüler seinen Namen kannte:
Reflektierte Auseinandersetzungen gab es mit ihm nicht – im Gegenteil, er war
eine kommunistische Ikone. Der vorletzte Teil der Litten – Pentalogie beleuchtet
die rote Seite seiner Rezeption.
In
vorherigen Teil wurde deutlich, das Litten im Westen beinahe vollständig aus
den Geschichtsbüchern getilgt wurde (siehe Teil III).
Die
Situation in der DDR verhielt sich grundlegend anders. Bereits 1950 wurde die
erste Volksrichterschule der DDR nach Hans Litten benannt. Er sollte auch
später für diese neue, sozialistische Klasse der Juristen der DDR von großer
Bedeutung sein.
Ein
Jahr später wurde die „Neue Friedrichsstraße“ in Ost-Berlin nach Hans Litten
umbenannt. Dort befindet sich das Amtsgericht Mitte und das Landgericht Berlin,
wobei sich an Letzterem eine scheinbar objektive Gedenktafel befindet, die Hans
Litten als „unerschrockenen Kämpfer für Menschlichkeit und Frieden“ ehrt.
Innerhalb des Gerichtsgebäudes befindet sich ebenfalls eine Büste.
Litten
sollte später immer mehr stilisiert und immer größeren Bevölkerungsschichten
nahegebracht werden. So wurde aus ihm ein Volksheld, ein Klassenkämpfer für das
Proletariat und vielmehr ein Marxist als ein unbequemer Anwalt, aber auch
jemand, der genau das Weltbild und die Überzeugung der DDR-Staatsführung
vertrat.
Auch
hier wurde seine jüdische Herkunft kaschiert, um die jüdisch-deutsche Tradition
aus dem Fokus zu nehmen.
Dies
spricht auch wieder für eine Problematik mit der Shoah- bzw.
Nazi-Vergangenheit, die jedoch auf einem anderen Wege bewältigt wurde, welche
eine „Rezeption“ oder eher eine Propagandanutzung Littens ermöglichte.
Die
SED sah keinerlei Notwendigkeit, sich in irgendeiner Weise mit dem Dritten
Reich auseinanderzusetzen, da mit der "antifaschistisch-demokratischen
Umwälzung" 1945-1949 der Nationalsozialismus restlos
"ausgerottet" worden sei.
Somit
seien Schuld und Verantwortung für diese Zeit nicht vorhanden, das Erbe der
Scham und des Erinnerns an die Gräueltaten ebenfalls. Die DDR sah sich nicht
als Nachfolgerstaat des Dritten Reiches und weigerte sich bis 1988 jüdischen
Opfern Entschädigung zu leisten.
Um
dies weiter zu festigen, wurde die Behauptung geschaffen, dass deutsche
Antifaschisten, wie Litten einer war, zusammen mit der Sowjetunion die
Hitlerdiktatur besiegt und den Nationalsozialismus ausgerottet haben.
Da
jedoch die wenigsten Ost- wie Westdeutschen
Widerstandskämpfer waren, wurden unzählige Denkmäler geschaffen und teilweise
auch einige Mythen dazu erfunden.
Litten
wurde auch ein Opfer dieser künstlichen Widerstandsvergangenheit mit deutlich
sozialistischer Prägung. Auch wenn er aufgrund seiner Nähe zum oftmals
verschwiegenen Holocaust problematisch war – die Shoah passte nicht ins
Klassenschema – so war er doch ideal um den neu entstandenen Volksrichtern ein
Vorbild zu geben. Dies waren Juristen, die anstatt an Universitäten in anderen
staatlichen Institutionen ausgebildet wurden. Die SED war vor die
Herausforderungen gestellt, ihren enormes juristischen Persornalbedarf zu
decken, nachdem rund 80% der Richter und Juristen der NSDAP angehört hatten. Da
die Universitäten ihre Ausbildung noch nicht nach den Wünschen der SED
abgeändert hatten, ergriff diese selbst die Initiative, wobei sie später von
der Sowjetischen Militäradministration unterstützt wurde. Diese neue
Ausbildungsform diente einerseits zur Durchsetzung des Herrschaftsanspruchs und
Durchdringung des ostdeutschen juristischen Apparats via Beeinflussung der
rechtswissenschaftlichen Lehre. Andererseits sollten jedoch die Juristen der
neu entstandenen DDR politisiert und systemtreu sein, was über eine lang
anhaltende Beeinflussung während der Ausbildung erreicht wurde. Während die
politische Ausrichtung noch anfangs überparteilich-antifaschistisch war,
wandelte dies sich später zum Sozialismus.
Litten
war ein Element der Beeinflussung. Er wurde als überzeugter Marxist
dargestellt, der im Grunde ein geistiger Vater der DDR war. Er sollte die
Volksrichter zur Vaterlandsliebe und Widerstand gegenüber dem Faschismus (und
damit auch dem faschistischen Westen) motivieren. Und auch wenn dieses Bild in
Teilen richtig war, so ist doch festzustellen, dass beide deutsche Nationen zu
keinem akzeptablen Bild über Litten kamen. Auf beiden Seiten wurde er viel zu
politisch, viel zu marxistisch gesehen, und es war weniger der Kampf gegen den
Faschismus als politische Richtung, den er ausfocht, sondern der Kampf für
Recht, Gerechtigkeit und Frieden, die durch Hitler bedroht wurden. Noch
bedauerlich ist es, dass seine jüdische Herkunft nicht nur totgeschwiegen,
sondern auch noch verleumdet wurden.
Aber
dies rührte hauptsächlich durch die oben erwähnten Traumata des deutschen
Volkes her, dass sich nach dem Schrecken des deutschen Volkes an der Grenze
zwischen den beiden politischen Polen der neuen Weltordnung wiederfand. Dies
wurde in der Rezeption – oder Nicht-Rezeption – Littens deutlich, die jedoch
auf beiden Seiten mit einer Ignoranz des Bezugs zum Judentum und seinem
Schicksal einherging. Doch gerade seine Religion prägte Littens Jugend und auch
sein weiteres Schicksal sehr.
Erst
durch die Wiedervereinigung sollte es für die Auseinandersetzung mit Litten
einen Neuanfang geben.
Die Hans-Litten Pentalogie:
1. Ein Einführung
2. Ein Leben für die Gerechtigkeit
3. Schamhaftes Schweigen in der BRD
4. Littenkult in der DDR
5. Auferstanden aus Ruinen
1. Ein Einführung
2. Ein Leben für die Gerechtigkeit
3. Schamhaftes Schweigen in der BRD
4. Littenkult in der DDR
5. Auferstanden aus Ruinen
Verdrehung der Geschichte ist irgendwie ein wiederkehrendes Element bei jeglichem Regime... von Stalin und Hitler bis Animal Farm.
AntwortenLöschen"Die Farm der Tiere" stellt ja nur die typischen Elemente da, ebenso wie 1984.
AntwortenLöschenJedoch muss man bedenken dass Erinnerung immer auch identitätsstiftend ist - ohne Verdrehung geht es nicht. Nur die Geschichtswissenschaft hat es sich zum Ziel gemacht, Geschichte neutral darzusstellen. Erinnung dagegen ist stets abgeändert, nicht nur kollektiv, sondern individuell (unsere Erinnerung stellt uns immer so da, wie wir uns haben wollen oder eben nicht).
Der große Unterschied: In Diktaturen wird die Abänderung vom Staat oder Machthaber vorgenommen, in freien Gesellschaften von bestimmten Gruppen, die Miteinander konkurrieren und damit einen Ausgleich schaffen.