Mittwoch, 25. Februar 2015

Unser dritter Platz beleuchtete letztes Jahr eine viel zu wenig beachtete Namensvetterin dieses Blogs und leistete damit einen Beitrag gegen das Vergessen.

Theresa Kruse

Sie muss eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen. Dabei wurde Cato Bontjes van Beek nur 22 Jahre alt. Dann wurde sie im Strafgefängnis in Berlin-Plötzensee 1943 hingerichtet. Adolf Hitler persönlich entschied in letzter Instanz gegen ihr Leben. Warum?



Aufgewachsen ist Cato in dem norddeutschen Dörfchen Fischerhude. Das liegt etwa 30 Kilometer von Bremen entfernt. Als Tochter eines Künstler-Paares und älteste von drei Geschwistern erlebte sie in ihrer Kindheit ein sehr liberales Umfeld.

Doch dass ihre Familie anders als die anderen Dorfbewohner war, bekam Cato immer wieder zu spüren: Als einzige waren sie mit ihrer Schwester Mietje und dem Bruder Tim nicht getauft. Zu dieser Zeit eine Seltenheit, ja gar etwas Suspektes. Später entschied sich ihre Mutter, die Tänzerin Olga, dagegen, ihre Kinder an Hiterjugend und dem Mädchenbund teilnehmen zu lassen. Stattdessen erhielten die drei Bontjes-Geschwister am Wochenende zusätzlichen Unterricht bei ihrem Lehrer.

Doch schon er erlebte die junge Cato sehr diskussionsfreudig: Immer wieder versuchte er, den Schülerinnen und Schülern klar zu machen, dass es unmöglich sei ,auf Dauer gegen den Strom zu schwimmen. Darauf erwiderte Cato selbstsicher: „Aber wir können es!“.

Schon während ihrer Schulzeit verbrachte Cato längere Zeit in Amsterdam und England. Sicherlich prägte sie das. Und sicherlich trug auch diese Außensicht dazu bei, sich nicht vom Nazi-Regime gefangen nehmen zu lassen.

Nach der Schule ging Cato nach Berlin. Dort half sie ihrem Vater in seiner Keramik-Werkstatt. Die Eltern hatten sich nämlich inzwischen getrennt und seitdem lebte ihr Vater Jan mit seiner neuen Frau in Berlin. Dort fand Cato Kontakt zu der Widerstandsgruppe, die später den Namen „Rote Kapelle“ erhielt. Das Ehepaar Harro und Libertas Schulze-Boysen hatte eine lose Gemeinschaft um sich versammelt. Cato fühlte sich von den Idealen der Gruppe angezogen und half so beispielsweise mit, Flugblätter zu erstellen und zu verbreiten.

Der Roten Kapelle wurde Verbindungen zu russischen Geheimdiensten vorgeworfen. Bis heute sind die Hintergründe der Organisation nicht vollständig aufgearbeitet. Schließlich war die die Rote Kapelle nicht sehr zentral organisiert, sondern vielmehr ein loses Netzwerk von Menschen mit ähnlichen Idealen. Zusätzlich wurde sie im geteilten Deutschland sehr unterschiedlich rezipiert: Während die Rote Kapelle im Westen wegen der möglichen Beziehungen zur Sowjetunion skeptisch gesehen wurde, galt sie im Osten als kommunistische Heldengruppe. Sicher ist jedoch dass Cato seit ihrer Jugend die Werke von Dostojewski und Tolstoi fasziniert las. „Krieg und Frieden“ über den russisch-französischen Krieg 1802 berührte sie besonders und so schrieb sie in einem ihrer vielen Briefe:
„Es ist so furchtbar grausam alles. Die Welt hat sich nicht viel geändert seither, leider! Kulturen werden gebaut, zerstört, wieder neu gebaut und von neuen Geschlechtern wieder weggefegt.“

Bei aller Lektüre war Cato stets auf der Suche nach der Wahrheit. Immer wieder dachte sie, sie gefunden zu haben und stand dann doch wieder vor dem Nichts. Bei ihrer Suche bemühte sie auch Werke aus dem fernen Osten, indem sie indische und chinesische Texte las.

Am 20. September 1942 klingelte es schließlich an der Wohnungstür, hinter der Cato und ihr Vater in Berlin lebten. Vier Gestapo-Beamte waren gekommen, um sie zu verhaften. Ein paar Wochen zuvor war bereits der Kopf der Gruppe, das Ehepaar Schulze-Boysen verhaftet worden. Daraufhin setzte sich eine Verhaftungswelle in Bewegung, der viele der Mitglieder zum Opfer fielen. Für Cato begann damit eine fast ein Jahr dauernde Zeit voll Ungewissen, Hoffen und Bangen im Gefängnis. Doch auch von hier schrieb sie viele Briefe an ihre Familie und Mithäftlinge zu denen sie ein freundschaftliches Verhältnis hatte. In einem diese Texte erzählte sie einem Mitgefangenen von ihrem Prozess und ihrer Verteidigung.

„Von dieser Liebe zu den Menschen habe ich in meinem Schlusswort gesprochen. Es war mir ja auch nie zuvor so klar, wie sehr ich Deutschland liebe. Als ich wusste, jetzt kannst du nur noch etwas sagen, um dein Leben zu retten, da gab es gar keine Politik mehr für mich, sondern einzig und allein stand vor mir das Bild, dass es nur eines gibt, und das ist die Liebe der Menschen untereinander. Ich bin kein politischer Mensch, ich will nur eins sein, und das ist: ein Mensch.

Nennt man dies nun: dem Tod ins Auge sehen. Es verpflichtet zu so vielem. Ich habe nicht um mein Leben gebettelt. Da hat der Mensch gezeigt, was er ist – nicht bei der Beweisaufnahme, sondern bei seinem Schlusswort. Ich werde das nie vergessen – sollte ich leben bleiben, jedes andere Urteil ist mir egal. Nur leben will ich, leben, leben!“

Doch ihr Todesurteil ließ sich nicht verhindern. Da halfen auch die vielen Bemühungen ihrer Familie und alten Bekannten aus Fischerhude nicht. Zusätzlich zu ihrem eigenen Schicksal, sorgte sich Cato auch weiterhin um ihren jüngeren Bruder, der als Soldat in Russland stationiert war. Adolf Hitler selbst unterschrieb schließlich die Verweigerung von Catos Begnadigung.

16 Männer und Frauen wurden am 5. August 1943 durch das Fallbeil im Dreiminutentakt hingerichtet. Cato Bontjes van Beek war eine von ihnen.

Quelle und Leseempfehlung:

Hermann Vinke: Cato Bontjes van Beek. Ein Porträt. Hamburg: Arche 2013.
Heidelore Kluge: Cato Bontjes van Beek. „Ich nur eins sein, und das ist ein Mensch“ Das kurze Leben einer Widerstandskämpferin 1920-1943. 2. Aufl. Stuttgart: Urachhaus 1995.

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