Sollte man die Sonntagsarbeit verbieten?
Martin Lotter
Der Landrat von
Würzburg hat angekündigt, dass er künftig Strafen an Landwirte
verhängen wird, die an Sonntagen ihre Felder bestellen. Es sei denn,
der Landwirt kann eine Notlage nachweisen. Notlagen sind in der Regel
Unwetter oder andere Gefahren für seine Ernte.
Die Ankündigung war
notwendig, da viele Landwirte den Sonntag mehr oder weniger als
normalen Arbeitstag zur Feldbestellung nutzen. Anwohner hatten sich
bei den Behörden darüber beschwert. Mittlerweile wird dieses Thema
breit diskutiert. Nicht nur in den Lokalzeitungen1,
sondern auch im landesweiten Fernsehen2 .
Meines Erachtens ist
die verbreitete Sonntagarbeit nicht nur ein Thema für Landwirte.
Vielmehr muss sich der Landrat die Frage gefallen lassen, warum wir
streng gegenüber Landwirten sind, aber locker gegenüber anderen
Branchen.
Es stellt sich ferner
die Frage wie wichtig unserer Gesellschaft die Sonntagsruhe heute
noch ist?
Sicher gibt es viele
Bereiche, in denen jeder Gegner der Sonntagsarbeit – und das sind
nicht nur die Kirchen – sagen würde, die Arbeit ist akzeptabel.
Dazu gehören sicher der öffentliche Nahverkehr, Polizei,
Krankenhäuser und ähnliche Bereiche. Jeder möchte und braucht im
Notfall einen Arzt oder die Polizei. Diese Bereiche dienen der
umfassenden Daseinsvorsorge der Bürger und sind täglich und
ganzjährig notwendig.
Es gibt aber viele
Bereiche in unserem Land, das Verbot der Sonntagsarbeit schon längst
legal ausgehebelt wurde.
Warum haben Tankstellen
sonntags geöffnet? Kann man das Auto nicht auch an Werktagen
betanken? Reicht es nicht, wenn in jeder Stadt für den Notfall nur
eine Tankstelle geöffnet hätte? So handhaben es die Apotheken
auch. Tankstellen sind keine wichtige Daseinsvorsorge. Sie könnten
geschlossen sein.
Warum müssen
Autohäuser und Möbelhäuser an Sonntagen geöffnet haben, auch wenn
sie die Einschränkung haben „kein Verkauf, nur Beratung“. Warum
haben Sonnenstudios an Sonntagen geöffnet? Ich kann mich am Sonntag
von Mitarbeitern in den Callcentern in Bank- und Versicherungsfragen
beraten lassen. Reicht es nicht, wenn der Callcenter werktags
erreichbar ist ?
Viele Industriebetriebe
arbeiten im 3-Schichtbetrieb rund um die Uhr von Montag bis Sonntag.
Ist es notwendig, dass der VW-Golf auch sonntags produziert wird?
Bald ist Advent, und in
vielen Städten ist wieder „verkaufsoffener Sonntag“. Allein
dieser Begriff zeigt, dass der Sonntag den Zweck hat, Ware zu
verkaufen und damit dem Gewinnstreben der Geschäftsinhaber dient. So
ist es auch bei Volkswagen. VW verdient durch Sonntagsarbeit mehr
Geld und die Aktionäre erhalten mehr Dividende.
Aber was macht der
Landwirt anders? Er bestellt seinen Acker, um Geld zu verdienen. Die
Tankstelle hat geöffnet, um Geld zu verdienen. Und die Geschäfte in
den Fußgängerzonen wollen an den verkaufsoffenen Sonntagen im
Advent ebenfalls Geld verdienen. Das Geld ist den Menschen heiliger
als der Sonntag. Den meisten Arbeitnehmer, die an den Sonntagen
arbeiten „müssen“, wohl auch. Üblicherweise erhalten sie für
ihre Sonntagsarbeit satte Zuschläge auf das Grundgehalt.
Hier stellt sich nun
die grundsätzliche Frage: Was bedeutet uns als Gesellschaft der
Sonntag? Degradieren wir ihn schrittweise zu einem Werktag oder ist
uns die Sonntagsruhe wichtig?
Wollen wir eine Woche
haben, die eingeteilt ist in 6 Tage, die von Arbeit, Erledigungen
und hektischer Betriebsamkeit geprägt sind, verbunden mit einem
siebten Tag – dem Sonntag - mit bewusster und fast erzwungener
Ruhe? Erzwungen deshalb, weil wir dann die legale Sonntagsarbeit in
den Industriebetrieben oder die sonntäglichen und legalen Einkaufs-
und Freizeitangebote oder Dienstleistungsangebote massiv einschränken
müssten. Die Sonntagsruhe wäre wieder hergestellt, wenn wir die
legale Beschäftigung auf die oben erwähnte notwendige
Daseinsvorsorge reduzieren. Jede andere Beschäftigung wäre nicht
zulässig.
Oder wollen wir als
Gesellschaft dem Weg weitergehen, auf dem wir schon lange sind?
Sukzessive wird der Sonntag zu einem Tag wie jeder andere. Es wird
immer mehr „verkaufsoffene Sonntage“ geben. Immer mehr Geschäfte
und immer mehr Dienstleister werden geöffnet haben. Länder in
Osteuropa sind hier Vorreiter. Der Sonntag wird dann zu einem
Werktag, an dem man arbeitet, einkauft und all das tun kann, was man
Montag bis Samstag auch erledigt. Mit einem Unterschied: Sonntag
früh wird es ab und zu mal laut in der Stadt. Die Kirchen werden
mit Glocken daran erinnern, dass dieser Tag in der Vergangenheit
einmal einen anderen Zweck hatte.
1) siehe
in der Mainpost u. a. in der Ausgabe 5. Oktober 2013
2)
siehe Bayerischer Rundfunk, in der Sendung Quer vom 17. 10. 2013