Mittwoch, 19. Februar 2014


Martin Lotter
Gabi Eder  / pixelio.de


In den letzten 10 Jahren ist die Anzahl der überschuldeten Jugendlichen unter 20 Jahren um 400% gestiegen. Auch in der Altersklasse 20 – 29 gab es einen Anstieg um 160%. Dabei gibt es keine Geschlechterunterschiede. Junge Männer oder Frauen haben die gleichen Schuldenprobleme.
Dies meldet die Finanzorganisation Creditreform1 in Ihrem „Schuldenatlas 2013“. Hier drängt sich zwangsläufig die Frage auf: Warum ist das so – und noch viel mehr: Wer ist Schuld an dieser Entwicklung? Nun wäre es ein Leichtes, die Politik verantwortlich zu machen. Die Politiker werden gerne für alles und jedes verantwortlich gemacht. Wir, die Jugendlichen, sehen uns gemeinhin als Opfer. Aber so einfach ist es nicht. Wäre hier vielleicht ein kleines „Mea culpa“ angebracht? Dieser Beitrag soll zur Ursachenforschung der Überschuldung bei Jugendlichen beitragen. Ich habe einige Ursachen gefunden und möchte sie zur Diskussion stellen.
Vergleicht man die Situation von 2004 mit heute, so kann man feststellen, dass das Ausgeben von Geld leichter und bequemer geworden ist. Der Einkauf per Internet (Zalando und Amazon als Beispiel) ist bequem und einfach. Egal ob am PC, Tablet oder Smartphone. Mit wenigen Klicks hat man gekauft. Das war vor 10 Jahren zwar auch schon möglich, aber die Internetfirmen haben diese Verkaufskanäle bequemer gemacht und das Marketing ausgeweitet. Die Flut von Werbeangeboten per Mail oder Anzeige ist deutlich gestiegen. Werbung weckt Bedürfnisse und dann ist der Kauf nicht mehr weit. Auch die langen Ladenöffnungszeiten und die neuen Shoppingsmalls (z.B. Wertheim Village) tragen zu mehr Konsum bei Jugendlichen bei.
Aber Werbung gab es früher auch schon. Verfallen wir heutigen Jugendlichen leichter dem Konsum als frühere Generationen? Sicher ist, dass die heutigen Konsumartikel wie Smartphone oder auch Kleidung einer schnelleren Veralterung unterliegen als früher. Handys oder andere elektronische Artikel wurden früher länger genutzt, Kleidung länger getragen. Der Konsumumschlagshäufigkeit ist höher. Und es gibt schlichtweg mehr und teurere Konsumgüter als früher.
Die Medien leisten auch ihren Beitrag. Sendungen wie Shopping Queen oder GNTP, oder die Fülle an Zeitschriften für die Zielgruppe Jugendliche suggerieren, was man haben muss und mit welchen Produkten man als Jugendlicher In oder Out ist. Nicht jeder Jugendliche kommt mit dem Druck dieser Scheinwelt klar.
Eine weitere Ursache ist das Auseinanderklaffen der Schere von Vermögen und Einkommen in Deutschland. Mehr Familien (und damit die Jugendlichen aus diesen Schichten) haben für Konsum genug Geld zur Verfügung. Dennoch haben viele andere Familien immer weniger Einkommen. Wollen die Ärmeren im Konsumwettbewerb mithalten, machen sie eben Schulden. Dies betrifft sicher nicht alle Jugendlichen aus einkommensschwachen Kreisen. Zumindest aber kann es eine Ursache für Überschuldung bei willensschwachen oder wenig selbstbewussten Jugendlichen sein.
Auch die Politik trägt – zumindest in Grenzen – als Ursache für die Verschuldung bei Jugendlichen bei. Der größte Schuldner im Land ist schließlich der Staat selbst. Die Gesellschaft und damit die Jungen nehmen wahr, dass übermäßige Verschuldung scheinbar kein Problem ist. Ist die Wirtschaft in der Krise, werden Schulden gemacht, um die Konjunktur wieder „flott“ zu bekommen. Was denkt da der unbedarfte Jugendliche? Schulden machen und verschuldet sein ist kein Problem. Der Staat macht es ja vor.
Bildung ist eine Aufgabe der Politik. Was sind die Inhalte des Wirtschafts- und Sozialkundeunterricht in den Schulen? Spricht man über „richtiges und falsches“ konsumieren? Lernt man, wie man einen Kredit aufnimmt und was die Konsequenzen und Gefahren sind? Nach meiner Erfahrung nicht.
Noch vor wenigen Jahrzehnten war es üblich, nach der Ausbildung oder nach dem Studium vom Arbeitgeber unbefristet angestellt zu werden. Heute ist dies schwieriger. Befristete Arbeitsverträge für Berufseinsteiger sind die Regel. Und darin steckt ein Risiko. Hat man einen Job für 2 Jahre, gewöhnt man sich an das monatlich überwiesene Geld. Das neue Auto wird auf Kredit gekauft und für den Urlaub und die Wohnungseinrichtung wird das Konto überzogen. Pech, wenn dann der Arbeitsvertrag nach 2 Jahren nicht verlängert wird. Der Kredit ist immer noch da, aber das Arbeitslosengeld reicht gerade für Miete und Essen. Die Schuldenuhr tickt weiter und schneller…
Hier stellt sich die Frage, ob wir als Jugendliche zu ungeduldig sind oder so erzogen wurden. Benötigen wir wirklich immer das neueste iPhone und sofort das teure Auto? Muss es der neueste Fummel von Esprit sein oder reicht die Klamotte aus dem letzten Sommer nicht doch noch? Warum ist die Urlaubsreise im Sommer eine Selbstverständlichkeit? Muss ich zu „Rock am Ring“ oder in ein anderes Konzert? Warum leiste ich mir etwas wenn ich das Geld nicht habe? Warum eine eigene Wohnung? Geht „Hotel Mama“ nicht auch noch für ein weiteres Jahr? Warum ziehe ich zuhause aus, wenn ich mir eine Wohnung eigentlich nicht leisten kann? Die Generationen vor uns - nicht unsere Eltern, sondern die davor – haben „auf etwas gespart“ und es erst erworben, wenn sie das Geld hatten. Das war notwendig, weil Konsumkredite nicht üblich waren. Banken haben Kredite zum Hausbau vergeben oder an Firmen. Ein Kredit für Urlaub oder Auto war früher für Privatpersonen praktisch undenkbar. Damit wurde man zum zielgerichteten Sparen erzogen. Wenn man sich etwas leisten wollte, hat man so lange gespart, bis man das Geld zusammen hatte. Selbst unsere Eltern sind bereits überwiegend mit dem einfachen Schuldenmachen und ohne Ansparen aufgewachsen. Leider sind sie beim Thema „Sparen lernen“ oft keine Vorbilder mehr.
Heute ist Konsumgüter kaufen und per Kredit bezahlen praktisch ein Vorgang. Man geht ins Möbelhaus, zu Media-Markt oder zum Autohändler und kauft, was man benötigt. Hat man kein Geld, bekommt man den Kredit gleich vor Ort. Wenn das Kreditaufnehmen so leicht und so unkompliziert ist wie der Einkauf selbst, wird es eben auch genutzt. Darin liegt eine Gefahr und eine weitere Ursache für Verschuldung.
Aber sind wir Jugendliche an unseren Schulden im Grunde nicht selbst schuld? Niemand zwingt uns, etwas zu kaufen und schon gar nicht, es mit einem Kredit zu finanzieren. Jeder Jugendliche bekommt so viel in Mathe mit und ist so intelligent, dass er seine Einkünfte seinen Ausgaben gegenüberstellen kann. Er muss nur zusammenzählen und sehen, wie viel Geld monatlich reinkommt und was er ausgeben kann. Spätestens der Kontoauszug der Bank zeigt, was noch verfügbar ist. Tag für Tag. Wir sind volljährig, wenn wir einen Kredit aufnehmen. Damit müssen wir Verantwortung für uns selbst übernehmen und uns von unseren Eltern emanzipieren. Was wir ja auch wollen. Demzufolge können wir niemandem die Schuld an unserer Überschuldung geben. Nicht die Politik ist schuld und nicht die Wirtschaft oder die bösen Banken. Wir haben selbst diese Schulden gemacht. Unsere Schulden sind unsere Schuld.

Fazit: 

Es gibt sicher nicht den einen Grund, sondern viele Gründe, warum Jugendliche in die Schuldenfalle geraten. Auch wenn sie letztendlich selbst an ihrer Misere schuld sind, ist es wichtig, dass sie Hilfe erhalten und dass gegen diesen negativen Trend der zunehmenden Verschuldung von Jugendlichen etwas getan wird. Wenn Menschen schon zu Beginn Ihres Lebens einen Fehlstart erleben, ist dies keine gute Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft. Jugendliche benötigen in Finanzfragen Hilfe. Wer kann diese leisten?

3 Kommentare:

  1. 400% - das ist echt eine Menge. Vielleicht sollte man das tatsächlich mehr in den Schulen thematisieren.

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  2. Interessant ist auch, dass die Schuldenhöhe bei Jugendlichen noch am geringsten ist - natürlich ist dies logisch, man hatte ja auch nicht genug Zeit, um Schulden zu machen.
    Dennoch ist offensichtlich, dass es eine hohe Bereitschaft gibt, kleine Mengen an Schulden aufzunehmen.
    Dies ist aber ein Schritt in die falsche Richtung.
    Gerade angesichts der abklingenden Finanzkrise ist es Zeit für einen Gegentrend.

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  3. http://verdienedeingeldvonzuhause.blogspot.de/2014/02/wenn-schulden-krank-machen-zahlt-jeder.html

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