Sonntag, 22. September 2013

Niklas Götz
Monatsthema 9/13

Das Finale der Wahl-Trilogie könnte nicht spannender sein. Eine Wahl, die das Parteienspektrum sprengt, die selbst jetzt um 19 Uhr noch nicht entschieden ist und deren Auswirkungen nicht vorherzusagen sind. Ich versuche sie kritisch-satirisch und knapp aus meinen Augen zu erklären.


IN MEMORIAM: FDP UND PIRATEN

Entsetzen. Angst. Verzweiflung. 
Bayerische Verhältnisse im Bund: CSU drittstärkste Kraft, die Union hat beinahe die absolute Mehrheit, nachdem sie beweisbar die FDP verschlungen hat. Eine schwarze Welle mit gelbem Kern. Dabei fehlen nur 0,3 % zu Schwarz-Gelb.
Entgegen demoskopischer Prognosen lutscht die AfD an der magischen Hürde - mit 300 000 linken Stimmen im Gepäck. Da fragt man sich: Was hat Eurosekptizismus mit Sozialismus gemein? Dazu fehlt es mir an Kompetenz, um diese Frage zu beantworten.
Selbst mir verschlägt es nach diesem Ergebnis die Stimme.
Doch mit dem bayerischen Verhältnissen sind wir schon nah dran an der Erklärung: Merkels themenfreie Nicht-Einmischen und In-Ruhe-lassen-Politik haben die Wähler überzeugt, die panischen Neoliberalen haben sich unter Muttis schützende Hände geflüchtet. Hätte sich die FDP freiwillig in die Union eingegliedert, so hätten wir auch hier eine schwarze Alleinregierung. 
Rösler sagte einst, die 90er wären der Tiefpunkt der FDP gewesen, man war eine Funktionspartei gewesen mit dem Argument: "Wer Kohl will wählt FDP". Ersetzen wir Gemüse durch Merkel, so sind wir in 2013. Dies ist das Ende der FDP. Es fehlen nur noch die Hundewelpen und das eindringliche wiederholen von "Bitte wählt uns!", um den Todesstoß zu versetzen. Denn die Union ist nun die Partei der Wirtschaft, der Freiheit und der Steuersenkung. Die Union (oder besser Angela Merkel) hat nun alleine den gesamten konservativen Flügel der Bevölkerung hinter sich, ebenso wie die breite Masse der Frauen und all jenen, die die unpolitischte und regungsloseste Kanzlerin aller Zeiten mögen. Und nach neusten Berechnungen die absolute Mehrheit. 
MERKEL UNCHAINED
Werden wir wieder ernst, gehen wir zum linken Spektrum: Die SPD hat einen leichten Steinbrückeffekt, jedoch ist dies nichts anderes als jene 3%, die von Merkel genung haben, ergo zu wenig Änderung, um sie zu interpretieren. An Steinbrück an sich lag es wohl weniger als an dem Bild, das die Medien von ihm verbreiteten. Wirklich problematisch ist das Abschneiden der Grünen: die SPD kann eine eigene Regierung aufgeben, wenn die Grünen sich nicht von der Themenmangelkur erholen. Der gewünschte Steuerbefreiungsschlag hat dem ganzen das Genick gebrochen - so masochistisch sind selbst die überzeugtesten Vorstadtgrünen mit ihrem Elektroporsche nicht. Und selbst wenn wir die Linkspartei zur sagenumwogenen, berüchtigten, verteufelten und gefeierten doppelrot-grünen Koalition zusammenfassen - es wird zu eng für eine solch instabile Koalition.
Was machen wir mit der AfD? Ich habe ihren Tod vorhergesagt, nun erschüttert sie das Parteienspektrum. Kommt sie nicht in den Bundestag, so sind 10% der Wähler nicht repräsentiert. Kommt sie hinein, so ist nur noch die große Koaliton möglich - oder die rechte, blau-schwarze (die jedoch unwahrscheinlich ist). Wer wählt die AfD? Ich habe es schon erwähnt: liberale, linke und Protestler. Aber es macht noch keinen Sinn. Wir werden es sehen.
Ein Blick nach Hessen: Gleiche Situation, mit etwas veränderten Prozentsätzen.
Wir fassen zusammen: Eine annehmbare Wahlbeteiligung, der Tod der FDP und der PIRATEN (letztere interessieren niemanden), die Union kann auf absolute Mehrheit mit Hilfe der Stimmen aus Bayern und der Baden-Württembergischen Oppositon hoffen, oder sie koaliert mit der SPD (unter Steinbrück oder im Notfall Gabriel), den halbtoten Grünen (im Notfall eine Zwangsheirat), oder sie geht neue Wege und vereinigt sich mit der über die Hürde gerutschten AfD.
Nach diesen schockierenden Fakten ein Blick zurück in den Wahlkampf: Wir erinnern uns an Raab, der Gysi unterstellte, 10,50€ Mindestlohn verlangt zu haben und auf 10€ als Konsens runtergegangen zu sein (beweisbar falsch), an die Bild-Massenpropaganda nach Art 1933, deren Niveau gleich war mit "Task Force Berlin", dem pseudo-politischen Nachmittagsformat für das Bildungsprekariat auf Pro7, aber auch an Peer Steinbrück lässig-mondän bei "Circus Halligallie" (ebenfalls Pro7) und Sarah Wagenknecht, die rote Arbeiterführerin mit den großen Ohrringen auf dem Wahlplakat.
Wie geht es weiter? Ich passe. Ich kann es nicht sagen. Nun (19:13 Uhr) ist die absolute Mehrheit der Union verloren, der Bundestag in der Mitte zerteilt - Überhangmandate nicht miteingerechnet. Demnach böte sich an: eine schwarze oder eine linke Minderheitsregierung, eine für die Grünen letale schwarz-grüne Koalition oder eine GROßE KOALITION. Letztere steht unter dem Fragezeichen: wird Steinbrück mitziehen? Schließlich kann er exzellent mti Merkel zusammenarbeiten, und er ist fähig und erfahren. Es wäre schade um ihn (nicht für ihn, er kennt bessere Jobs), würde er das Handtuch werfen.
Die FDP braucht einen Neustart - aber sie darf nicht noch mehr Köpfe rollen lassen,. sonst gehen sie ihr aus. Nur noch in Sachsen vertreten, kann man sie gleich mit der NPD abhaken. Sie kämpft ums Überleben - sie muss sich von der Union emanzipieren. Die Lösung: die Rückkehr zur SPD, der Auszug aus dem wirtschaftlichen rein in den juristischen Liberalismus.
Die AfD, scheitert sie auch heute Nacht an der Hürde, kann zusammenfallen wie ein Pleitestaat. Wer es mit der ersten Welle nicht schafft, dem geht das Image des Neuen, Unbekannten und der großen Bewegung verloren. In vier Jahren ist die Eurokrise vorbei. Eigentlich sollte ich sie auch in mein Memoriam aufnehmen. Genauso wie die Piraten. Meine These zu den Hype-Parteien (http://cato-online.blogspot.de/2013/08/hypeparteien-entstehung-entwicklung-und.html) hat sich bewahrheitet.
Es kommen aufregends Stunden und Wochen auf uns zu. Erst das amtliche Wahlergebnis wird klare Fakten schaffen. Noch ist nichts entschieden. Zu allem übel geht es dann an die Koalitonsverhandlungen, und bei diesem Patt kann nur die Große Koaliton bestehen - wenn die Union nicht über dem Pkw-Maut zerbricht. Und dann gibts ja noch personelle Konsequenzen.
Na dann: Frohes Verhandeln!

 

5 Kommentare:

  1. Kennen Sie diese Webseite (http://www.istdiefdpnochimbundestag.de/)schon? Sieht momentan nicht so aus, als ob sich da noch etwas tun wird in den nächsten Stunden.

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  2. Vor einer Woche haben wir noch kommentiert, nur Bayern würden der CSU 50% geben...

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  3. So war es ja auch:
    1. Die CSU hat sehr gut abgeschnitten und mehr Zuwächse gehabt als die CDU
    2. Über 10% der Stimmen werden nicht geltend gemacht (FDP, AfD, Piraten), dadurch erhält jede Partei mehr Sitze

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  4. Kristina Schröder wird kein Amt mehr bekleiden - neue Hoffnung für die gescheitete Familienpolitik.
    Die FDP lässt die Köpfe rollen (Lindner, der FDP-Judas, soll alles richten - wie Fipsi Rösler einst), selbst hohe Tiere halten die Außerparlamentarische Oppositon (APO) für ihren Tod, und selbst Wirtschaftsnahe reden von vier verlorenen Jahren. Da bringt der Phyrrussieg in Hessen auch nichts mehr.
    Derweil erleben die liberalen Abgeordneten eine Rationalisierung; sie werden weggekürzt.
    Die AfD will im Europaparlament den Euro kippen - hoffentlich können sie bei der geringen Wahlbeteiligung nicht ihre eigenen Wähler stärker motivieren.
    Auch die Grünen stehen vor einer pareiinternen Öko-Katastrophe - der Vorstand soll ausgerottet werden.
    Und die Brautschau der Union (Partei, 64, konservativ, sucht ... ) läuft wohl in Richtung der anderen Volkspartei. Alleinregierung zu instabil (Bosbach und Seehofer nerven dann zu sehr, da gefügige Ehepartner den Schwesternstreit lösen), die Grünen sind zu teuer (bzgl. Steuern).

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  5. 15% der Stimmen wurden wegen der 5% Hürde nicht gezählt, weitere 23% Nichtwähler sind genauso wenig vertreten, ebenso 20%, weil sie nicht Wahlberechtigt sind. Zählen wir das zusammen, so haben wir 30 Millionen Menschen in Deutschland, die von der Demokratie, Spielplatz der Lobbyisten, ignoriert werden.
    Nach Platon entarten Demokratien entweder in Anarchie oder Tyrannei. Es ist wieder so weit.

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Ceterum censeo...