Daniel Vedder
Ursprünglich erschienen als Beitrag für die Wahlgang 2014
Vor 68 Jahren forderte Churchill in Zürich, dass “wir eine Art Vereinigte Staaten von Europa errichten müssen”. Fünf Jahre später war der erste Schritt dorthin – die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl – Wirklichkeit. 1979 wurde erstmals ein europäisches Parlament gewählt, 1991 entstand die heutige EU. Doch trotz aller Fortschritte in der europäischen Einigung ist die tatsächliche Macht der EU, und insbesondere die des Europaparlaments, noch sehr beschränkt. Ist es an der Zeit einen Schritt weiter zu gehen und das Europarecht absolut zu setzen?
Wie wenig Respekt dem Europaparlament entgegen gebracht wird, zeigt ein kurzer Blick in die Statistiken der Europäischen Kommission: Allein im November 2013 verbuchte sie 75 Vertragsverletzungsverfahren gegen 23 Mitgliedsstaaten wegen nicht umgesetzten EU-Recht. Wirklich verwunderlich ist das aber auch nicht. Schließlich hat das EU Parlament kaum eigenständige Entscheidungsbefugnis, es darf noch nicht einmal selbst Gesetze vorschlagen. Lediglich den Haushalt darf es alleine bestimmen. Damit ist die direkteste Vertretung, die das Volk in der EU hat, ziemlich eingeschränkt.
Eine denkbare Lösung für dieses Problem wäre recht drastisch: was wäre, wenn man das nationalstaatliche Recht aufhebt, und nur noch EU-Recht zählen würde? Wenn alle nationalen Gesetze vereinheitlicht würden und es nur noch ein Recht für alle EU-Bürger gäbe? Würde dies durchgesetzt werden, würde es die europäische Einigung auf eine völlig neue Ebene heben. Nicht zuletzt könnten neue Richtlinien viel schneller durchgesetzt werden, weil man nicht mehr auf die Bestätigung durch 28 verschiedene Parlamente warten muss.
Auf den ersten Blick wäre dies eine einfache, attraktive Lösung. Doch wie bei den meisten scheinbar einfachen Lösungen gibt es auch hier ein paar Haken. Der erste ist der der Praktikabilität. Wie vereinigt man 28 verschiedene Gesetzeskataloge, jeden einzelnen mit einem immensen Umfang? Sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens wären betroffen, ein heilloses Chaos würde entstehen.
Doch selbst gesetzt den Fall, dass es praktisch möglich wäre, ist es denn überhaupt wünschenswert? Artikel 23 §1 GG regelt die Beziehung Deutschlands zur Europäischen Union: „Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist [...]“ (Hervorhebung durch den Autor). Dieser letzte Teilsatz ist entscheidend. In der Europäischen Union gilt, genauso wie in Deutschland selbst, das Prinzip der Subsidiarität. Das bedeutet, dass Entscheidungen auf einer möglichst niedrigen Ebene getroffen werden sollten. Das ist sinnvoll, in der Tat ginge es kaum anders. Es wäre lächerlich, wenn der Bundestag immer entscheiden müsste, ob in irgendeiner Stadt ein neues Hochhaus gebaut werden darf. Je näher ein Entscheidungsgremium am Ort des Geschehens ist, desto besser werden meistens die Entscheidungen sein. Erst wenn die kleineren Instanzen, etwa Städte oder Länder, überfordert sind, greift die oberste Instanz des Bundes ein. Und erst wenn es ein Problem gibt, dass kein EU-Staat alleine lösen kann, sollte sich die EU einmischen. Schließlich haben die einzelnen Staaten auch eine Individualität, die es zu wahren gilt, wo sie den gemeinsamen Zielen nicht im Wege steht.
Ein Europarecht, das sämtliche nationalen Gesetze außer Kraft setzt, ist folglich weder praktikabel noch wünschenswert. Wenn wir also das Europaparlament stärken wollen, was ein durchaus legitimes Anliegen ist, müssen wir uns anderswo umsehen.
Ursprünglich erschienen als Beitrag für die Wahlgang 2014
Vor 68 Jahren forderte Churchill in Zürich, dass “wir eine Art Vereinigte Staaten von Europa errichten müssen”. Fünf Jahre später war der erste Schritt dorthin – die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl – Wirklichkeit. 1979 wurde erstmals ein europäisches Parlament gewählt, 1991 entstand die heutige EU. Doch trotz aller Fortschritte in der europäischen Einigung ist die tatsächliche Macht der EU, und insbesondere die des Europaparlaments, noch sehr beschränkt. Ist es an der Zeit einen Schritt weiter zu gehen und das Europarecht absolut zu setzen?
Wie wenig Respekt dem Europaparlament entgegen gebracht wird, zeigt ein kurzer Blick in die Statistiken der Europäischen Kommission: Allein im November 2013 verbuchte sie 75 Vertragsverletzungsverfahren gegen 23 Mitgliedsstaaten wegen nicht umgesetzten EU-Recht. Wirklich verwunderlich ist das aber auch nicht. Schließlich hat das EU Parlament kaum eigenständige Entscheidungsbefugnis, es darf noch nicht einmal selbst Gesetze vorschlagen. Lediglich den Haushalt darf es alleine bestimmen. Damit ist die direkteste Vertretung, die das Volk in der EU hat, ziemlich eingeschränkt.
Eine denkbare Lösung für dieses Problem wäre recht drastisch: was wäre, wenn man das nationalstaatliche Recht aufhebt, und nur noch EU-Recht zählen würde? Wenn alle nationalen Gesetze vereinheitlicht würden und es nur noch ein Recht für alle EU-Bürger gäbe? Würde dies durchgesetzt werden, würde es die europäische Einigung auf eine völlig neue Ebene heben. Nicht zuletzt könnten neue Richtlinien viel schneller durchgesetzt werden, weil man nicht mehr auf die Bestätigung durch 28 verschiedene Parlamente warten muss.
Auf den ersten Blick wäre dies eine einfache, attraktive Lösung. Doch wie bei den meisten scheinbar einfachen Lösungen gibt es auch hier ein paar Haken. Der erste ist der der Praktikabilität. Wie vereinigt man 28 verschiedene Gesetzeskataloge, jeden einzelnen mit einem immensen Umfang? Sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens wären betroffen, ein heilloses Chaos würde entstehen.
Doch selbst gesetzt den Fall, dass es praktisch möglich wäre, ist es denn überhaupt wünschenswert? Artikel 23 §1 GG regelt die Beziehung Deutschlands zur Europäischen Union: „Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist [...]“ (Hervorhebung durch den Autor). Dieser letzte Teilsatz ist entscheidend. In der Europäischen Union gilt, genauso wie in Deutschland selbst, das Prinzip der Subsidiarität. Das bedeutet, dass Entscheidungen auf einer möglichst niedrigen Ebene getroffen werden sollten. Das ist sinnvoll, in der Tat ginge es kaum anders. Es wäre lächerlich, wenn der Bundestag immer entscheiden müsste, ob in irgendeiner Stadt ein neues Hochhaus gebaut werden darf. Je näher ein Entscheidungsgremium am Ort des Geschehens ist, desto besser werden meistens die Entscheidungen sein. Erst wenn die kleineren Instanzen, etwa Städte oder Länder, überfordert sind, greift die oberste Instanz des Bundes ein. Und erst wenn es ein Problem gibt, dass kein EU-Staat alleine lösen kann, sollte sich die EU einmischen. Schließlich haben die einzelnen Staaten auch eine Individualität, die es zu wahren gilt, wo sie den gemeinsamen Zielen nicht im Wege steht.
Ein Europarecht, das sämtliche nationalen Gesetze außer Kraft setzt, ist folglich weder praktikabel noch wünschenswert. Wenn wir also das Europaparlament stärken wollen, was ein durchaus legitimes Anliegen ist, müssen wir uns anderswo umsehen.
Eine vollständige Vereinheitlichung des Rechts ist sicherlich unmöglich - dies würde ja nicht einmal in Deutschland selbst möglich sein.
AntwortenLöschenAllerdings können große Teile der Gesetzgebung des Bundes in Europagesetzgebung umgewandelt werden: die Strafgesetzgebung, das bürgerliche Recht (zu wichtigen Teilen bereits an Richtlinien angepasst), Arbeitdrecht, Handelsrecht, uvm.
Momentan wird europäisch geregelt, was europäisch geregelt werden muss. Wie wäre es, wenn wir national regeln, was national geregelt werden muss?
"Wie wäre es, wenn wir national regeln, was national geregelt werden muss?"
LöschenMeinst du das als Kritik des deutschen Föderalismus?
Nein, es geht immer noch um die Europaebene.
LöschenMomentan gilt die Devise: So viel national regeln wie möglich, so wenig europäisch wie nötig.
Wenn wir nur das national regeln, was national geregelt werden muss, würde man diese Devise umkehren.