Dienstag, 20. Mai 2014

Daniel Vedder

Ursprünglich erschienen als Beitrag für die Wahlgang 2014

Im März verabschiedete das Europaparlament einen Vorschlag zur Reform der EU-Datenschutzbestimmungen. Ein dringend nötiger Schritt, denn die letzte Version dieser Richtlinien stammte von 1995. Damals gab es noch kein Google, kein Facebook, und die NSA war ein obskurer Verein, den hierzulande keiner kannte.

Die vielleicht wichtigste Neuerung bezieht sich auf Datenübertragungen von Onlinediensten in nicht-EU-Länder, und zielt darauf ab, die Daten von EU-Bürgern auch außerhalb den Grenzen der EU zu schützen. Ein begrüßenswertes Vorhaben, wenn man bedenkt, wie viele Menschen europaweit US-basierte Dienste nutzen. Doch leider nicht ganz gut genug. Denn gesetzt den Fall, dass ein Gericht des Heimatlandes eines Dienstes eine Auslieferung von Kundendaten fordert, obwohl die EU es verbietet: wessen Stimme wird wohl stärker sein? Man muss auch bedenken, dass ausländische Regierungsorganisationen nicht unbedingt auf die Kooperation der Internetfirmen angewiesenen sind, um den Datenverkehr zu überwachen. Kabel können schließlich überall angezapft werden. Letztendlich ist es für die EU rechtlich unmöglich, die Privatsphäre ihrer Bürger zu schützen, sobald die Internetkabel ihr Hoheitsgebiet verlassen.
Aus diesem Grund hört man hin und wieder den Vorschlag, Europa sollte eine Parallelstruktur aufbauen zu den ganzen US-Diensten, eine Art „Euronetz“. Sprich: ein europäisches Facebook, ein europäisches Google, ein europäisches Dropbox, und so weiter. Diese würden dann einzig und allein EU-Recht unterstehen und hätten ihre Server auf europäischem Boden stehen, ideale Bedingungen für effektiven Datenschutz.

Es wäre toll, wenn man so etwas umsetzen könnte. Leider gibt es dabei jede Menge praktische Probleme. Die fangen natürlich bei den finanziellen Kosten an, die sich wahrscheinlich im Milliardenbereich bewegen würden. So kurz nach der Eurokrise wird kein Land scharf darauf sein, für so etwas solche Summen auszugeben. Als nächstes stellt sich die Frage, ob überhaupt genügend Leute die europäischen Alternativen nutzen würden. Längst nicht jeder findet Datenschutz wichtig genug, um sich die Mühe zu machen, Emailkonten zu wechseln. Das ist besonders bei sozialen Netzwerken ein Problem. Facebook & Co. leben davon, dass jeder sie benutzt, und somit jeder mit jedem über sie in Kontakt treten kann. Wer wechselt schon zu einem neuen Anbieter, wenn alle seine Freunde noch auf dem alten Netzwerk sind? Schlussendlich bleibt dass Problem, dass selbst, wenn man es schaffen würde, ein komplettes Euronetz aufzubauen, man aufgrund der momentanen Netzinfrastruktur nicht garantieren kann, dass meine Daten nicht doch einen Umweg über Amerika nehmen, wenn ich von Deutschland aus eine französische Seite aufrufe.

Gehört die Zukunft also dem Euronetz? Wohl kaum. Ganz machtlos ist die EU dennoch nicht, wenn es um das Internet geht. Die Reform des Datenschutzes ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn sie Schwachpunkte aufweist und noch nicht durchgesetzt ist. (Das wird erst in der nächsten Legislaturperiode geschehen können.) Auch darf man nicht vergessen, dass es schon viele EU-basierte Webdienste gibt. Diese könnte man fördern, ähnlich wie man dies bereits seit langem mit der Landwirtschaft tut. Das Ergebnis wäre kein Euronetz, aber doch eine Internetlandschaft, die nicht ganz so abhängig von den USA ist, wie dies momentan der Fall ist. Letztlich wäre es in meinen Augen auch wichtig, die Entwicklung sicherer Verschlüsselungsmethoden und -programme zu fördern, denn eine gute Verschlüsselung kann Daten auch außerhalb der physischen Grenzen Europas noch vor ungewolltem Zugriff schützen.

Es freut mich, dass das Thema Netzpolitik momentan als so wichtig angesehen wird in der Europäischen Union. Ich hoffe nur, dass eine gemeinsame europäische Antwort auf diese Frage unserer Zeit nicht durch kleinstaatliches Denken der einzelnen EU-Mitglieder vereitelt wird. Nun, mal schauen, was das nächste Europaparlament aus der Steilvorlage macht, die ihm das momentane mit dem Reformvorschlag geliefert hat.

2 Kommentare:

  1. Ich denke, die Unabhängigkeit von amerikanischem Internet ist mindestens ebenso wichtig wie die Unabhängigkeit von russischem Gas.
    Sollte es möglich werden, europäische Internetunternehmen zu etablieren, so könnte man ihre Beliebtheit unter der Bevölkerung fördern, indem man ihnen den Zugang zu verschiedenen Bereichen des Lebens vereinfacht. Mehr und mehr wird FB auch mit der realen Welt verknüpft. Wenn wir das mit der europäischen Alternative verstärken und den Nutzern damit Vorteile bieten, können wir so die Nutzerzahl steigern.
    Gäbe es nicht technische Möglichkeiten, den Austritt von Daten aus dem europäischen Netz, welche innerhalb Europas transferiert werden sollen, zu verhindern?

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  2. "Ich denke, die Unabhängigkeit von amerikanischem Internet ist mindestens ebenso wichtig wie die Unabhängigkeit von russischem Gas."

    Gute Analogie!

    Ob man technisch garantieren kann, dass europäische Daten auch beim Transfer in Europa bleiben, weiß ich nicht sicher. Wenn ich die Fakten noch richtig in Erinnerung habe, sollte es theoretisch möglich sein, ist aber wahrscheinlich mit einem ziemlichen Aufwand verbunden.

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