Niklas Götz
Beitrag als Wahlblogger für WAHL GANG 14
Florentine / pixelio.de |
Am 25. Mai wird
ganz Europa wählen. Ganz Europa? Nein. Es ist nicht ein kleines
gallisches Dorf, das Widerstand leistet, sondern das divergierende
Wahlrecht in jedem Mitgliedsstaat, dass es schwierig macht, von "der"
Europawahl zu sprechen.
Ein
paar Beispiele:
Die Niederlanden wählen donnerstags.
Das passive Wahlrecht hat eine Differenz von bis zu 7 Jahren. Manche
Länder haben spezielle Wahlkreise, andere nicht. Und dann gibt es
noch juristische Blüten wie Wahlpflicht und Panaschieren. Als ob das
noch nicht genug wäre, hat jedes Land seine eigene Sperrklausel. Das
bedeutet: Eine spanische Zwergpartei zieht nach Straßburg ein, eine
slowakische nicht.
Stellen
wir uns vor, dieses Durcheinander wäre innerhalb eins Staates wie
Deutschland: In Bremen könnte ein 18-jähriger Politiker einer
Kleinpartei ohne Sperrklausel in ein Parlament einziehen, da er
freitags von Bürgern gewählt wurde, die dazu gesetzlich
verpflichtet sind, während in Hamburg diesselbe Person zu jung
gewesen wäre, die Partei an einer 3%-Hürde gescheitert wäre, die
Wahl drei Tage später stattfindet und es auch keine Wahlpflicht
gibt.
"Die
Europawahl
ist eine seit 1979 in der Europäischen Union alle fünf Jahre
stattfindende allgemeine, unmittelbare, freie und geheime Wahl, bei
der die Abgeordneten des Europäischen Parlaments bestimmt werden"
So das Onlinelexikon. Jedoch fehlt dem Conaisseur des deutschen Wahlrechts ein ganz wichtiges Wort: gleich. Wir haben einen Kontinent. Der Traum hinter der Union war es doch, ihn zu vereinen. Deshalb haben wir ja das Europäische Parlament: Es soll zusammenwachsen, was zusammen gehört. Dazu ist ein demokratisch legitimiertes Organ wie das Parlament absolut notwendig. Doch wie soll es jemals die gleiche Funktion wie das Parlament eines Nationalstaates erfüllen, wenn die Wahl nicht gleich ist?
Wenn
ich bei der Bundestagswahl wähle, so weiß ich, dass meine Stimme
genauso viel zählt wie die meines Nachbarn. Es gilt auch die gleiche
Sperrklausel.
Wenn
ich bei der Europawahl wähle, so ist meine Stimme zwar noch genauso
viel wert wie die meines Nachbarn – aber sie zählt nicht genauso
wie die meines österreichischen Bekannten.
Dies
ist einer der vielen Punkte, weshalb das Europaparlament nur sehr
begrenzt dazu beitragen kann, aus dem Staatenverbund
einen wahren Staatenbund zu machen.
Die
deutsche Rolle bei der Frage des europäischen Wahlrechts ist
ebenfalls nicht löblich. Das jüngste Beispiel war das Urteil des
Verfassungsgerichts zur Sperrklausel. Anstatt Deutschland sich für
ein einheitliches Wahlrecht in Europa einsetzen, nach dem Motto "Ein
Parlament, ein Wahlrecht", braut es ganz kleinstaatlich sein
eigenes Süppchen. Denn die Standardfrage bei Sperrklauseln lautet
ja: Ist es nicht unfair, wenn meine Stimme unter den Tisch fällt,
obwohl die Anzahl der Stimmen für zumindest einen Abgeordneten
gereicht hätte?
Die Antwort auf nationaler Ebene ist ganz einfach: Das Parlament muss eine Regierung stellen, dazu braucht es eine regierungsfähige Mehrheit, und um diese zu gewährleisten eine Sperrklausel. Das ist zwar nicht wirklich zufriedenstellend, aber einleuchtend.
Das BVerG sieht das zumindest so - aber nicht auf Europaebene. Die deutsche 5%-Hürde für die Europawahl wurde schon gekippt - sie sei unfair. Der schon fast grotesk anmutende Versuch, stattdessen eine 3%-Hürde durchzusetzen, wurde Ende Februar ebenso abgewiesen - mit einer fragwürdigen Begründung: Das EP müsse ja nicht regieren (im Sinne von eine Regierung bilden), brauche keine Mehrheit und deshalb auch keine Sperrklausel.
Denkt man genauer darüber nach, so sieht man, dass das BVerG auch nicht in Betracht zieht, dass das EP in den nächsten Jahrzehnten an Bedeutung gewinnen könne und eines Tages wirklich einmal eine europäische Regierung stellt - mit dieser Entscheidung und damit der Überflutung des EP mit wahrscheinlich 6 neuen Parteien rückt dies noch weiter in die Traumwelt.
Nun gehe ich mit einer ganz anderen Einstellung zum Wahllokal :O
AntwortenLöschenDanke für den klärenden Artikel, mein Wahlrecht nimmt mir dennoch niemand :D
Ich hoffe das wirklich viele Leute wählen gehen!
Grüße, Jennifer