Dienstag, 6. Mai 2014

Niklas Thein
Wettbewerbsbeitrag - Jugend denkt Europa


Wenn das kleine grüne Marsmännchen zu Bett geht und an Europa denkt, weiß es nicht, was es als Schlaftrunk zu sich nehmen soll. 
 
Früher, da wär das klar gewesen. 
 
Französischer Tropfen? Rotwein, voilá.

Russischer Geist? Da! Wodka!

Deutsche Seele? Klar, Bier.

Doch heute, ach, geht das ja nicht mehr. Viel zu national. Und gleichzeitig überall erhältlich. Damit ist das kleine grüne Marsmännchen nicht einverstanden. Es muss doch einen urtypisch europäischen Brand geben? Schließlich haben doch schon frühere Imperien identitätsstiftende Speisen gehabt! Das Garum im Römischen Reich, Kaiserschmarrn in der Donaumonarchie, den Burger in den Vereinigten Staaten.

Was ist dann die Speise Europas? Eine mit Teeblättern, Döner und Gulasch belegte Pizza, verfeinert mit Fischsoße? Klingt schon wieder so nach EU-Proporz.

Dabei ist die Zeit mehr als reif für diese Erfindung, denkt sich das kleine grüne Marsmännchen. Wahrscheinlich bräuchte es dazu aber nicht nur eine Garage mit vielen Kochbüchern und Zutaten, sondern auch Geld. Das ist doch nur mit der EU möglich, oder, denkt es spontan.

Nachdem es sich –provisorisch- mit einem Nationalgetränk aus dem gut bestückten Europakeller begnügt hat, kuschelt es sich mit seiner Lieblingslektüre, der Europa-heute ins Bett. Doch was liest es da?

Der Präsident des Europäischen Rates, Herman van Rompoy, selber jemand, dem man nicht unbedingt mit Leidenschaft charakterisieren würde, sagt: 
 
Europa braucht nicht mehr Leidenschaft. Leidenschaft für Europa gab es nie.“

Dagegen würde das kleine grüne Marsmännchen gern aufs Heftigste protestieren!
Europa – das war das Thema der einzigen Rede, das es je gehalten hat. Damals, vor dieser Krise, als die Europäer auch schon unzufrieden mit Europa waren. Und kam nicht danach ein Abgesandter dieser viel gescholtenen zu ihm und meinte, es sei angenehm, zur Abwechslung mal etwas Positives über seine Herrin zu hören?

Europa – diese unscheinbarem ulkig geformte Landmasse, die gerade nachts zeigt, was ihn ihr steckt. 
 
Europa – dieser kleine Kontinent, der es erlaubt, jeden Sonntag im Gärtchen die liebgewonnen, dutzendfachen Klischees pflegen! 
 
Europa – das ist mein Leben! Euphorisch, trunken vor Stolz nippt das Marsmännchen nochmal am Glas.

Europa und auch die EU (!) bedeuten für es Nähe. Nähe zwischen den einzelnen Bürgern Europas. Diese Nähe wollte das kleine grüne Marsmännchen im vergangen Herbst und Winter selber erfahren. 
 
Leider ist es ihm seit seines Erasmusaufenthalts nicht mehr so einfach möglich.

Zwar waren alle Kommilitonen aus allen Teilen der europäischen Galaxie unglaublich glücklich, so unkompliziert und ausgestattet mit finanzieller Unterstützung in ein beliebiges Land verreisen zu können. Manche (Mars-) länder kassierten zwar das Semesterticket, bezuschussten die Unternehmung in ferne Weiten jedoch in keinster Weise.

Andererseits gab es kein einziges Mal, dass einer gesagt hätte: Schon toll, diese EU, was die uns alles ermöglicht. Vom Schwenken einer Europafahne ganz zu schweigen. Das Marsmännchen denkt sich dabei, dass das in den USA ganz anders wäre. Doch muss das gleich schlecht sein?
 
Wer alles für selbstverständlich erachtet, weiß es nicht mehr zu schätzen und kämpft auch nicht für dessen Erhalt. Das Marsmännchen hofft, dass nicht das ganze Projekt erst eingestellt werden muss, um wieder Begeisterung bei allen Mitbürgern zu wecken.

Grübelnd blickt das Marsmännchen auf. So geht es jetzt schon seit Jahren. Doch eines blieb immer gleich.

Welches Nationalgetränk es auch immer probierte, am Ende war das kleine grüne Marsmännchen immer blau.
 

2 Kommentare:

  1. Eine schöne, eindeutig zweideutige Geschichte!

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  2. einen schönen Satz habe ich gestern zu Europa und den Europäern gehört:

    "Wir haben Europa geschafffen, jetzt müssen wir nur noch die Europäer schaffen"

    Das war in Anlehnung an die Aussage eines italienischen Abgeordneten im dortigen Parlament zur Staatsgründung Italiens 1861 als er sagte :"Wir haben Italien geschaffen, jetzt müssen wir Italiener schaffen!“


    Italien hatte ein ähnliches Problem wie Europa heute: Formal einige, aber doch sehr heterogen. Auch in der Sprache.Aber auch kulturell und politisch. Noch heute gibt es eine Lega Nord, welche die Interessen der Norditaliener gegen den Süden vertritt.

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