Niklas Götz
Beitrag als Wahlblogger für WAHL GANG 14
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Immer wieder wird kritisiert, dass das Europaparlament nutzlos und machtlos sei. Aus diesem Grund sei auch die anstehende Europawahl nur eine Farce. Aber ist diese Kritik berechtigt?
Die Kampagne des Europaparlaments “Handeln. Mitmachen. Bewegen.” hat
vor allem eine Botschaft: Die Bürger können mir ihrer Stimme viel
verändern, weil das Parlament viel bewegen kann. Besonders betont werden
dabei die neuen Befugnisse durch den Vertrag von Lissabon, aufgrund
dessen das Parlament den Kommissionspräsidenten bestimmt.
Liest man dagegen manchen Kommentar von Journalisten (allen voran von Henryk Broder bei “Die Welt” http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article126099911/Europas-Parlament-hyperaktiv-und-entbehrlich.html), so hat das Parlament keine anderen Aufgaben, als die Beschlüsse von Ministerrat und Kommission abzunicken und Empfehlungen auszusprechen, an die sich keiner hält.
Der Bürger darf nun die berechtigte Frage stellen, was seine Vertreter nun wirklich ausrichten können.
Natürlich kann man nicht erwarten, dass das EP die gleiche Rolle hat wie der Bundestag. Es gibt noch zu viele Vorbehalte der Nationalstaaten, die ihre Souveränität nicht an die EU abgeben wollen. Noch weniger wollen die Mitgliedstaaten ihre Souveränität an ein Organ abgeben, auf das sie gar keinen Einfluss nehmen können.
Aus diesem Grund fehlt es dem Parlament an zwei äußerst wichtigen Kompetenzen: dem Initiativrecht, also die Möglichkeit selbst Gesetze vorzulegen und dem Einfluss auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Diese beiden Punkte schwächen das EP, machen es aber bei weitem nicht handlungsunfähig.
Oft wird betont, dass der Kommissionspräsident diesmal vom Parlament bestimmt wird – allerdings auf Vorschlag des Europäischen Rates. Das Verfahren erscheint in den Augen vieler als ebenso undemokratisch wie das der Sowjetunion.
Aber was kann das Parlament, das wir am 25. Mai wählen werden, wirklich?
Das EP muss die Gesetze annehmen und kann dadurch über das Vermittlungsverfahren Einfluss auf den Inhalt nehmen. Dadurch spielt es auch ohne Initiativrecht eine entscheidende Schlüsselrolle beim Gesetzgebungsverfahren. Zudem kann es die Kommission auffordern, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, oder zu begründen, warum es dies nicht tut. Ein ähnliches Dreiergespann findet sich auch beim Beschluss des Haushalts der EU.
Ein weiteres Machtmittel des Parlaments gegenüber Kommission und dem Ministerrat ist die Kontrollfunktion. Beide müssen regelmäßig beim Parlament Bericht erstatten. Bei Verstößen gegen die Verträge können Untersuchungsausschüsse und eine Klage beim Europäischen Gerichtshof in Betracht gezogen werden.
Ein Großteil der Arbeit des Parlaments wird auf die Resolutionen verwendet, legislativ nicht bindende Entscheidungen, an die sich niemand halten muss. Das tut auch keiner. Aber dies liegt nicht am EP, sondern am mangelnden Interesse der Medien und der konstanten Ignoranz gegenüber dem Faktum, dass es sich hier um den über Vertreter ausgesprochenen Willen des Volkes handelt.
Die Wahl des Kommissionspräsidenten erscheint wirklich nur begrenzt demokratisch, da das Parlament nur “Ja” oder “Nein” sagen kann. Vorgeschlagen wird allerdings der Kandidat jener Fraktion (eine Neuerung ist dieses Jahr, dass die Fraktionen vorab ihre Kandidaten festlegten), die das beste Ergebnis erzielte – ist das bei der Wahl des Bundeskanzlers so viel anders?
Daneben werden auch gewöhnliche Kommissionmitglieder durch das Parlament legitimiert. Zwei Mal bereits wurden als nicht ausreichend integer oder kompetent erscheinende Kandidaten abgelehnt.
Ein Wort noch zur Außen- und Sicherheitspolitik: Auch wenn das Parlament keinen direkten Einfluss nehmen kann und die Kommission nur die Meinung des EPs wahrnehmen muss, so hat es doch einen gewissen Einfluss. Ein gutes Beispiel hierfür ist die NSA-Überwachungsaffäre. Das EP drohte im Zusammenhang mit der massiven Überwachung europäischer Bürger damit, seine Zustimmung zum TTIP-Freihandelsabkommen zu verweigern.
Es ist offensichtlich, dass das Europäische Parlament eine beachtliche Machtfülle hat. Erst wenn dies auch von der Bevölkerung wahrgenommen wird und das EP auch seine Macht demonstriert (zum Beispiel bei der anstehenden Abstimmung zum Freihandelsabkommen, sobald die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen abgeschlossen sind), kann auch erwartet werden, dass es bei Wählern auf mehr Interesse stößt.
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Immer wieder wird kritisiert, dass das Europaparlament nutzlos und machtlos sei. Aus diesem Grund sei auch die anstehende Europawahl nur eine Farce. Aber ist diese Kritik berechtigt?
rudolf ortner / pixelio.de |
Liest man dagegen manchen Kommentar von Journalisten (allen voran von Henryk Broder bei “Die Welt” http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article126099911/Europas-Parlament-hyperaktiv-und-entbehrlich.html), so hat das Parlament keine anderen Aufgaben, als die Beschlüsse von Ministerrat und Kommission abzunicken und Empfehlungen auszusprechen, an die sich keiner hält.
Der Bürger darf nun die berechtigte Frage stellen, was seine Vertreter nun wirklich ausrichten können.
Natürlich kann man nicht erwarten, dass das EP die gleiche Rolle hat wie der Bundestag. Es gibt noch zu viele Vorbehalte der Nationalstaaten, die ihre Souveränität nicht an die EU abgeben wollen. Noch weniger wollen die Mitgliedstaaten ihre Souveränität an ein Organ abgeben, auf das sie gar keinen Einfluss nehmen können.
Aus diesem Grund fehlt es dem Parlament an zwei äußerst wichtigen Kompetenzen: dem Initiativrecht, also die Möglichkeit selbst Gesetze vorzulegen und dem Einfluss auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Diese beiden Punkte schwächen das EP, machen es aber bei weitem nicht handlungsunfähig.
Oft wird betont, dass der Kommissionspräsident diesmal vom Parlament bestimmt wird – allerdings auf Vorschlag des Europäischen Rates. Das Verfahren erscheint in den Augen vieler als ebenso undemokratisch wie das der Sowjetunion.
Aber was kann das Parlament, das wir am 25. Mai wählen werden, wirklich?
Das EP muss die Gesetze annehmen und kann dadurch über das Vermittlungsverfahren Einfluss auf den Inhalt nehmen. Dadurch spielt es auch ohne Initiativrecht eine entscheidende Schlüsselrolle beim Gesetzgebungsverfahren. Zudem kann es die Kommission auffordern, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, oder zu begründen, warum es dies nicht tut. Ein ähnliches Dreiergespann findet sich auch beim Beschluss des Haushalts der EU.
Ein weiteres Machtmittel des Parlaments gegenüber Kommission und dem Ministerrat ist die Kontrollfunktion. Beide müssen regelmäßig beim Parlament Bericht erstatten. Bei Verstößen gegen die Verträge können Untersuchungsausschüsse und eine Klage beim Europäischen Gerichtshof in Betracht gezogen werden.
Ein Großteil der Arbeit des Parlaments wird auf die Resolutionen verwendet, legislativ nicht bindende Entscheidungen, an die sich niemand halten muss. Das tut auch keiner. Aber dies liegt nicht am EP, sondern am mangelnden Interesse der Medien und der konstanten Ignoranz gegenüber dem Faktum, dass es sich hier um den über Vertreter ausgesprochenen Willen des Volkes handelt.
Die Wahl des Kommissionspräsidenten erscheint wirklich nur begrenzt demokratisch, da das Parlament nur “Ja” oder “Nein” sagen kann. Vorgeschlagen wird allerdings der Kandidat jener Fraktion (eine Neuerung ist dieses Jahr, dass die Fraktionen vorab ihre Kandidaten festlegten), die das beste Ergebnis erzielte – ist das bei der Wahl des Bundeskanzlers so viel anders?
Daneben werden auch gewöhnliche Kommissionmitglieder durch das Parlament legitimiert. Zwei Mal bereits wurden als nicht ausreichend integer oder kompetent erscheinende Kandidaten abgelehnt.
Ein Wort noch zur Außen- und Sicherheitspolitik: Auch wenn das Parlament keinen direkten Einfluss nehmen kann und die Kommission nur die Meinung des EPs wahrnehmen muss, so hat es doch einen gewissen Einfluss. Ein gutes Beispiel hierfür ist die NSA-Überwachungsaffäre. Das EP drohte im Zusammenhang mit der massiven Überwachung europäischer Bürger damit, seine Zustimmung zum TTIP-Freihandelsabkommen zu verweigern.
Es ist offensichtlich, dass das Europäische Parlament eine beachtliche Machtfülle hat. Erst wenn dies auch von der Bevölkerung wahrgenommen wird und das EP auch seine Macht demonstriert (zum Beispiel bei der anstehenden Abstimmung zum Freihandelsabkommen, sobald die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen abgeschlossen sind), kann auch erwartet werden, dass es bei Wählern auf mehr Interesse stößt.
Nun, ein schwaches EP ist besser als gar kein EP - aber ein etwas stärkeres würde man sich schon wünschen. Je stärker das EP, desto mehr Bürgerinvolvierung in der EU, desto mehr Bürgerinteresse an der EU. Oder?
AntwortenLöschenSo ungefähr sollte es sein, ja.
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