Niklas Götz
Beitrag als Wahlblogger für WAHL GANG 14.
Beitrag als Wahlblogger für WAHL GANG 14.
Die Medien sind
immer sehr empfänglich für apokalyptische Prognosen. Das Potential
für einen Weltuntergang bei der Europawahl fanden sie im Rechtsruck
der EU, also dem erstarken rechtsextremer und rechtspopulistischer
Parteien im Vorfeld der Europawahlen.
By Seiya123 (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/ |
Dieser
Rechtsruck ist schon seit Jahren im Gange. In Deutschland wurde dies
offensichtlich an der Gründung der euroskeptischen AfD, aber auch im
Rest der Union gibt es diese Entwicklung. Man denke an die United
Kingdom Independence Party (UKIP) , die den Austritt aus der EU
fordert, an die Front National in Frankreich, die auch die deutschen
Medien in Atem hält und bei den Kommunalwahlen in einigen Städten
siegreich war oder an die Goldene Morgenröte in Griechenland, die
unverholen die Symbolik des Dritten Reichs übernahm.
Man kann nicht bestreiten, dass diese
Parteien immer mehr Zustimmung erhalten. Dafür gibt es sicherlich
zahlreiche Gründe, die den Rahmen dieses Textes sprengen würden.
Die entscheidende Frage bleibt aber, ob diese Entwicklung auch
wirklich eine Bedrohung für die Union darstellt.
Die teilweise fehlenden Sperrklauseln
werden sehr viele rechte Parteien nach Straßburg bringen, weshalb
mehr oder minder selbsternannte "Experten" z.T. im
Frühstücksfernsehen behaupten, die rechten Parteien könnten im
Parlament zusammen eine starke und einflussreiche Fraktion bilden,
welche Europa nachhaltig schaden würde.
Auch wenn Marine Le Pen (Front
National) und Geert Wilders (Partei für die Freiheit, Niederlande)
ankündigten, nach der Wahl im Europaparlament eine "Europäische
Allianz der Freiheit" (also eine radikale Anti-EU-Fraktion)
bilden zu wollen, so sind die rechten Parteien Europas doch zu
heterogen, um so etwas vollbringen zu können. Zu sehr unterscheiden
sich die Themen. So gibt es Euroskeptiker, Nationalisten, Xenophobe,
Antisemiten, Nationalsozialisten, Libertäre und Islamfeinde. Unterm
Strich ist die europäische Rechte ein zu breites Feld, um gemeinsam
agieren zu können – "rechts" ist genauso wie "links"
nur eine Tendenz und noch keine definitive politische Überzeugung.
Es stellt sich die Frage, ob überhaupt eine Fraktion möglich ist,
denn diese braucht Abgeordnete aus mindestens 7 Mitgliedsstaaten. Ob
sich die radikalen Rechten nach dieser Wahl wirklich zu einer
Fraktion zusammenschließen können, bleibt aufgrund ihrer
programmatischen Unfähigkeit zum Konsens fraglich – eine
rechtsgerichtete Fraktion bilden konnten bisher nur weniger radikale
Parteien zu "Europa der Freiheit und der Demokratie",
selbst diese Allianz war von Uneinigkeit geprägt.
Allgemein stellt die Inkompetenz der
rechten politischen Kräfte eigentlich ihr Kernproblem und den Grund
dar, weshalb sie nicht das größte Problem der nächsten
Legislaturperiode sein werden. Um bei den genannten Parteien zu
bleiben: Die UKIP hat bisher nur sehr wenige Stimmen erringen können,
jedoch hat sie bei dieses Jahr die Chance, ihr Ergebnis zu
vervielfachen und die Mehrheit der Wähler für sich zu gewinnen. Auf
nationaler Ebene ist sie unbedeutend und deshalb auch ohne
nachhaltigen Einfluss. Desweiteren wird es aber abzuwarten sein, ob
die britischen Euroskeptiker auch wirklich bei den Europawahlen ihr
Kreuz setzen.
Die Front Nationale hat bekanntermaßen
bei den Kommunalwahlen vor einigen Wochen einen "großen"
Sieg errungen – in rund einem Dutzend Städten hat sie gewonnen.
Für die Front Nationale ist das eine bedeutende Leistung, objektiv
jedoch kein überzeugendes Ergebnis – es gibt sehr viele Städte in
Frankreich. Außerdem versucht sie einen gemäßigteren Kurs zu
fahren, um für Wähler attraktiver zu erscheinen, was jedoch zu
schweren inneren Auseinandersetzungen führte.
Die Goldene Morgenröte steht kurz vor
dem Verbot, darüber hinaus konnte sie bei keinen Wahlen mehr als 7%
erringen. Sicherlich wird sie nach Straßburg einziehen – aber ein
Mandat allein kann nichts ausrichten. Und wer möchte mit diesem
NSDAP-Verschnitt kooperieren, welcher doch nur der eigenen
Glaubwürdigkeit schaden würde?
Und die AfD? Wer den letzten
Bundesparteitag und die versuchte Machtkonzentration Luckes
beobachtete, sieht, dass diese Partei innerlich zu schwer zerstritten
ist, um auf Europaebene einer starken, einflussreichen Fraktion
beizutreten oder überhaupt sinnvoll arbeiten zu können. Zumal in
dieser Fraktion wohl auch die NPD vertreten wäre, von der sich die
AfD stehts zu distanzieren sucht.
Selbst wenn diese Fraktion gegründet
werden sollte, so wäre ihr Einfluss institutionell sehr begrenzt –
sie würde wohl nicht mal 140 von 750 Sitze umfassen und damit kaum
etwas bewegen können.
Die eigentliche Gefahr geht aber nicht
von den rechten Parteien aus, sondern vom Rechtsruck im politischen
Diskurs – wir kennen es von Horst Seehofers Aussagen gegen Brüssel
nach dem Motto "Mia san mia, und uns kann keiner was sagen"
oder die tendenzielle Xenophobie hinter der Ausländermaut und der
Angst vor einer Flut von Sozialbetrügern. Viele konservative
Parteien befürchten den Verlust des rechten Wählerspektrums, wie
die SPD ihr linkes Spektrum an die Linke verlor. Dies ist die
eigentliche Problematik des Rechtsrucks: dass etablierte Parteien die
Ideen der Rechten aufgreifen und dadurch durchsetzen können.
Während nämlich die
rechtspopulistischen Parteien viel fordern, aber wenig ausrichten
können, haben etablierte Parteien die nötige Kompetenz und
ausreichenden Einfluss, um rechte Ideen umzusetzen. Wir müssen uns
nicht vor kleinen Veränderungen am Rande des Parteienspektrums,
sondern um tendenzielle Veränderungen im etablierten Diskurs Sorgen
machen.
Um ein europäisches Weimar brauchen wir uns glaub ich in nächster Zukunft noch keine großen Sorgen zu machen - dazu sind die konventionellen Parteien noch viel zu stark. Wirklich fundamentale Europakritik (also Kritiker, die überhaupt keine EU mehr wollen) sind meiner Ansicht nach eine medial überbetonte Randerscheinung. Da gibt es dringendere Probleme in der EU, der wir uns widmen sollten.
AntwortenLöschenNachschub: das soll allerdings nicht heißen, dass wir die europafeindlichen Gruppierungen nicht im Auge behalten sollten. Ein "Europa ohne Europäer" wollen wir schließlich auch nicht riskieren. Wir sollten ihnen lediglich keine größere Bedeutung zugestehen, als sie tatsächlich haben.