Donnerstag, 15. Mai 2014

Niklas Götz

Beitrag als Wahlblogger für WAHL GANG 14.

Die Medien sind immer sehr empfänglich für apokalyptische Prognosen. Das Potential für einen Weltuntergang bei der Europawahl fanden sie im Rechtsruck der EU, also dem erstarken rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien im Vorfeld der Europawahlen.
By Seiya123 (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons



Dieser Rechtsruck ist schon seit Jahren im Gange. In Deutschland wurde dies offensichtlich an der Gründung der euroskeptischen AfD, aber auch im Rest der Union gibt es diese Entwicklung. Man denke an die United Kingdom Independence Party (UKIP) , die den Austritt aus der EU fordert, an die Front National in Frankreich, die auch die deutschen Medien in Atem hält und bei den Kommunalwahlen in einigen Städten siegreich war oder an die Goldene Morgenröte in Griechenland, die unverholen die Symbolik des Dritten Reichs übernahm.


Man kann nicht bestreiten, dass diese Parteien immer mehr Zustimmung erhalten. Dafür gibt es sicherlich zahlreiche Gründe, die den Rahmen dieses Textes sprengen würden. Die entscheidende Frage bleibt aber, ob diese Entwicklung auch wirklich eine Bedrohung für die Union darstellt.


Die teilweise fehlenden Sperrklauseln werden sehr viele rechte Parteien nach Straßburg bringen, weshalb mehr oder minder selbsternannte "Experten" z.T. im Frühstücksfernsehen behaupten, die rechten Parteien könnten im Parlament zusammen eine starke und einflussreiche Fraktion bilden, welche Europa nachhaltig schaden würde.

Auch wenn Marine Le Pen (Front National) und Geert Wilders (Partei für die Freiheit, Niederlande) ankündigten, nach der Wahl im Europaparlament eine "Europäische Allianz der Freiheit" (also eine radikale Anti-EU-Fraktion) bilden zu wollen, so sind die rechten Parteien Europas doch zu heterogen, um so etwas vollbringen zu können. Zu sehr unterscheiden sich die Themen. So gibt es Euroskeptiker, Nationalisten, Xenophobe, Antisemiten, Nationalsozialisten, Libertäre und Islamfeinde. Unterm Strich ist die europäische Rechte ein zu breites Feld, um gemeinsam agieren zu können – "rechts" ist genauso wie "links" nur eine Tendenz und noch keine definitive politische Überzeugung. Es stellt sich die Frage, ob überhaupt eine Fraktion möglich ist, denn diese braucht Abgeordnete aus mindestens 7 Mitgliedsstaaten. Ob sich die radikalen Rechten nach dieser Wahl wirklich zu einer Fraktion zusammenschließen können, bleibt aufgrund ihrer programmatischen Unfähigkeit zum Konsens fraglich – eine rechtsgerichtete Fraktion bilden konnten bisher nur weniger radikale Parteien zu "Europa der Freiheit und der Demokratie", selbst diese Allianz war von Uneinigkeit geprägt.


Allgemein stellt die Inkompetenz der rechten politischen Kräfte eigentlich ihr Kernproblem und den Grund dar, weshalb sie nicht das größte Problem der nächsten Legislaturperiode sein werden. Um bei den genannten Parteien zu bleiben: Die UKIP hat bisher nur sehr wenige Stimmen erringen können, jedoch hat sie bei dieses Jahr die Chance, ihr Ergebnis zu vervielfachen und die Mehrheit der Wähler für sich zu gewinnen. Auf nationaler Ebene ist sie unbedeutend und deshalb auch ohne nachhaltigen Einfluss. Desweiteren wird es aber abzuwarten sein, ob die britischen Euroskeptiker auch wirklich bei den Europawahlen ihr Kreuz setzen.


Die Front Nationale hat bekanntermaßen bei den Kommunalwahlen vor einigen Wochen einen "großen" Sieg errungen – in rund einem Dutzend Städten hat sie gewonnen. Für die Front Nationale ist das eine bedeutende Leistung, objektiv jedoch kein überzeugendes Ergebnis – es gibt sehr viele Städte in Frankreich. Außerdem versucht sie einen gemäßigteren Kurs zu fahren, um für Wähler attraktiver zu erscheinen, was jedoch zu schweren inneren Auseinandersetzungen führte.


Die Goldene Morgenröte steht kurz vor dem Verbot, darüber hinaus konnte sie bei keinen Wahlen mehr als 7% erringen. Sicherlich wird sie nach Straßburg einziehen – aber ein Mandat allein kann nichts ausrichten. Und wer möchte mit diesem NSDAP-Verschnitt kooperieren, welcher doch nur der eigenen Glaubwürdigkeit schaden würde?


Und die AfD? Wer den letzten Bundesparteitag und die versuchte Machtkonzentration Luckes beobachtete, sieht, dass diese Partei innerlich zu schwer zerstritten ist, um auf Europaebene einer starken, einflussreichen Fraktion beizutreten oder überhaupt sinnvoll arbeiten zu können. Zumal in dieser Fraktion wohl auch die NPD vertreten wäre, von der sich die AfD stehts zu distanzieren sucht.


Selbst wenn diese Fraktion gegründet werden sollte, so wäre ihr Einfluss institutionell sehr begrenzt – sie würde wohl nicht mal 140 von 750 Sitze umfassen und damit kaum etwas bewegen können.


Die eigentliche Gefahr geht aber nicht von den rechten Parteien aus, sondern vom Rechtsruck im politischen Diskurs – wir kennen es von Horst Seehofers Aussagen gegen Brüssel nach dem Motto "Mia san mia, und uns kann keiner was sagen" oder die tendenzielle Xenophobie hinter der Ausländermaut und der Angst vor einer Flut von Sozialbetrügern. Viele konservative Parteien befürchten den Verlust des rechten Wählerspektrums, wie die SPD ihr linkes Spektrum an die Linke verlor. Dies ist die eigentliche Problematik des Rechtsrucks: dass etablierte Parteien die Ideen der Rechten aufgreifen und dadurch durchsetzen können. 


Während nämlich die rechtspopulistischen Parteien viel fordern, aber wenig ausrichten können, haben etablierte Parteien die nötige Kompetenz und ausreichenden Einfluss, um rechte Ideen umzusetzen. Wir müssen uns nicht vor kleinen Veränderungen am Rande des Parteienspektrums, sondern um tendenzielle Veränderungen im etablierten Diskurs Sorgen machen.

1 Kommentar:

  1. Um ein europäisches Weimar brauchen wir uns glaub ich in nächster Zukunft noch keine großen Sorgen zu machen - dazu sind die konventionellen Parteien noch viel zu stark. Wirklich fundamentale Europakritik (also Kritiker, die überhaupt keine EU mehr wollen) sind meiner Ansicht nach eine medial überbetonte Randerscheinung. Da gibt es dringendere Probleme in der EU, der wir uns widmen sollten.
    Nachschub: das soll allerdings nicht heißen, dass wir die europafeindlichen Gruppierungen nicht im Auge behalten sollten. Ein "Europa ohne Europäer" wollen wir schließlich auch nicht riskieren. Wir sollten ihnen lediglich keine größere Bedeutung zugestehen, als sie tatsächlich haben.

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