Mittwoch, 15. April 2015

Niklas Götz
Monatsthema 4/15

Oft wird, wenn man sich mit Interdisziplinarität rühmt, nur vermischt, was sowieso schon zusammengehört. Aber ist echte, grenzenüberschreitende Kooperation wirklich möglich und sinnvoll?


Mächtig rühmt sich die deutsche Wissenschaftsgesellschaft, wenn groß ein interdisziplinäres Forschungsprojekt mit möglichst zukunftsweisenden Namen angekündigt wird, als würde gerade die nächste kopernikanische Wende beginnen. Tatsächlich versteckt sich dahinter meist etwas weniger spannendes, man verbindet zwei Teildiszplinen verschiedener Wissenschaften, die sowieso schon lange im Austausch stehen - wie Physikalische Chemie und Molekülphysik. Natürlich fällt dies unter dem Begriff Interdisziplinarität, aber hier wird wenig Neues geschaffen. Der Austausch an Ideen und Vorgehensweisen hat längst stattgefunden, nur so konnten diese Grenzwissenschaften ja entstehen.

Was ist diese Interdisziplinarität eigentlich, und warum ist sie so toll? 
Das neue Feindbild er Wissensgesellschaft ist der Elfenbeinturm. In den letzten hundert Jahren wurde immer mehr, immer komplexeres Wissen angehäuft. Oftmals ist dies so detailreich, dass sich Nischenwissenschaften und Teilgebiete entwickelt haben, die nur einen kleinen, aber sehr komplexen und tiefen Bereich abdecken. Doch bei so großer Spezialisierung treten zwei Probleme auf.
Einerseits bremst sie die Entwicklung, denn wie allgemein bekannt ist, vermindert eine zu große Fixierung auf das Detail den Erfindungsreichtum. Es braucht Impulse von außen, um manche Probleme zu lösen. Oftmals sind es ja gerade Konzepte aus einem anderen Fachbereich, die zu Paradigmenwechseln führen.
Andererseits kann eine solche Vertiefung in der Wissenschaft, zumindest nach der landläufigen Meinung, die Innovationsfähigkeit behindern. Hochspezialisierte Forschung entdeckt keine Sachverhalte, die sich wirtschaftlich verwerten lassen, da es meist um das tiefere Verständnis von Details geht, während Innovation eher dort anzutreffen ist, wo bekannte Prinzipien rekombiniert und damit nutzbar werden. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass Spartenforschung viel zu stark der Perspektive des eigenen Fachbereichs verhaftet ist und die wirtschaftliche Betrachtung vernachlässigt.

Hieraus motiviert sich die Forderung nach interdisziplinärer Forschung. Umgesetzt wird dies allerdings in naiver Weise, denn man beschleunigt nur einen bereits natürlich auftretenden Prozess. Es ist nämlich üblich, die Kooperation von Forschungsgruppen zu fördern, die bereits inhaltliche Verwandtschaft aufweisen, wie das Beispiel von oben. Natürlich kombiniert man hier verschiedene Wissenschaften, aber gerade diese Spartenbereiche sind sich so ähnlich, dass der Mehrwert eingeschränkt ist. Zudem ist es zu erwarten, dass hier sowieso bereits ein Austausch stattfindet, da nur so diese Forschung überhaupt möglich ist. Wahre Interdisziplinarität sieht anders aus.

Hier müssen wir uns die Frage stellen, was es ist, was alle Wissenschaften verbindet, und was sie andererseits trennt. Wissenschaft ist ein schwieriger Begriff - manche verstehen darunter nur empirische Wissenschaften, was gerade manch Naturwissenschaftler zu Chauvinismus verleitet. Andere sind da weitaus liberaler, dadurch wird jedoch die Abgrenzung zur Esoterik schwieriger. Letztlich bindend bleiben jedoch 2 Prinzipien, die eine Wissenschaft erfüllen muss: Einerseits das Streben nach Erkenntnis, andererseits die Bereitschaft, gefundene Antworten zu prüfen und zurückzuweisen, wenn sie nicht mehr wahr erscheinen.

Unterscheiden tun sich Wissenschaft jedoch in ebenfalls 2 Elementen: Einerseits in ihren Fragestellungen (Während die Soziologie nach der Funktionsweise der Gesellschaft fragt, interessierte die Biologie die Funktionsweise des Lebens) und in ihren Methoden der Wissensgewinnung bzw. Konzepten zur Wissensstrukturierung. Hier wird offensichtlich, dass diese beiden Punkte in unserem Beispiel am Anfang sehr ähnlich sind - beiden Teilwissenschaften geht es um die Struktur unseres Stoffes auf molekularer Ebene, beide sind exakte Wissenschaften und suchen Formeln und Modelle, um die Konzepte zu erfassen.

Der wahre Nutzen von Interdisziplinarität soll aber darin liegen, über das, was Wissenschaften verbindet, also die Erkenntnissuche, eine Kommunikation bezüglich der Vorgehensweise zu ermöglichen. Manche Wissenschaften werden nie kooperieren können, einfach weil die Fragestellungen zu unterschiedlich sind, wie Soziologie und Physik. Was aber bleibt, ist das grundsätzliche Bestreben, Wissen zu generieren. Deshalb besteht dennoch die Möglichkeit, die Mittel zu diesem Zweck auszutauschen und zu vergleichen, wie Wissenschaft gemacht wird, wie Wissen gewonnen, rekombiniert, vertieft, überprüft und konserviert wird.

Ein Beispiel macht dies klarer. Die Erkenntnisse der Mathematik sind beinahe nur für Naturwissenschaften, Finanzwissenschaften und Statistiker relevant. Aber die Art wie Mathematik arbeitet, die formallogische Herangehensweise, die absolute Exaktheit oder die unerbitterliche Peer-Review sind für beinahe jede Wissenschaft ein interessantes Konzept. Auf der anderen kann Mathematik davon profitieren, wie in anderen Wissenschaften die Ergebnisse nutzbar gemacht werden, z.B. wie physikalische Erkenntnisse in technische Innvoationen überführt werden.

Dennoch darf bei all dem Bemühen um Interdisziplinarität, bei all den großen Vorbildern in Form von Universalgelehrten, nicht vergessen werden, das Grundlagenforschung und bahnbrechende Erkenntnisse auch der Spezialisierung zu verdanken sind. Nur eine vertiefte Wissenschaft kann manche Fragen endgültig klären. Sie muss nur auch fähig sein, neue Konzepte, durch Austausch inspiriert, zu entwickeln.

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