Donnerstag, 18. September 2014

Theresa Kruse
Monatsthema 9/14

Über die (Un)Vereinbarkeit der Wissenschaften.



Ich bin verrückt. Da sind sich all meine Kommilitonen einig. Dabei stehen auf der einen Seite die Germanisten und auf der anderen die Mathematiker. Ich bin irgendwo dazwischen. Wahrscheinlich ist das so, wenn man zwei Fächer studiert, ohne das Lehramt fest im Blick zu haben. Dann wüsste ich mich zumindest bei den Pädagogen heimisch.

Aber so begegnet mir auf beiden Seiten vor allem Unverständnis und ich muss mich für das jeweils andere Fach rechtfertigen. Allerdings zeigen die Germanisten dabei mehr Respekt gegenüber den Mathematikern, während es in die andere Richtung leider eher Verachtung ist. Doch wie kann es zu solch einer Hierarchie zwischen den Disziplinen kommen? Es sind schließlich beides Geisteswissenschaften!

Und über deren Sinn und Zweck lässt sich mangels direkter Anwendung ohnehin streiten. Ein Mathestudium ist schließlich ähnlich wie Sudokus lösen: Man probiert irgendetwas und freut sich, wenn es am Ende passt. Dann beginnt man mit dem nächsten. Inhaltlich klüger wird man daraus nicht direkt. Anders ist es in Germanistik: In der Literaturwissenschaft werden Texte gelesen und diskutiert. Und wer mehr Texte gelesen hat, findet mehr Zusammenhänge zwischen den Worten. Genauso hat auch die Linguistik ihren Inhalt: Warum sprechen die Menschen so wie sie sprechen?

Doch weshalb scheinen gerade Mathematik und philologische Wissenschaften so unvereinbar? Dabei wäre es doch durchaus möglich zu kombinieren: Welche Rolle spielt Mathematik in der Literatur? Oder linguistisch untersuchen, warum die Sprache der Mathematik mit den immer gleichen Phrasen funktioniert. Dafür müsste man sich natürlich auch mit der entsprechenden Mathematik auseinandersetzen. Mit solch einem Fachbereich mathematische Germanistik wäre gleichzeitig die Hierarchie überwunden.

Welchen Sinn das ganze hat? Nun, ich denke, danach darf man in der Wissenschaft zunächst nicht fragen. Manchmal ist die Anwendbarkeit von bestimmten Disziplinen erst viele Jahre später ersichtlich. Ich denke da an Primzahlen, deren Nutzen in der Verschlüsselungstechnik erst in den letzten Jahrzehnten wirklich wichtig wurde. Schließlich soll das Forschen in der Wissenschaft doch vor allem Spaß machen und neue Erkenntnisse bringen. Diese Erkenntnisse werden dann irgendwann wieder entdeckt, weiterentwickelt und angewendet. Ein bisschen verrückt ist das vielleicht schon.

2 Kommentare:

  1. Meta-Diskussionen zur Wissenschaft sind, gelinde gesagt, schwierig. Hier hat man es mit wenig Fakten und viel Emotionen zu tun.
    Ob Germanistik und Mathematik verschieden sind, ist Ansichtssache, v.a. seitens der Mathematik.
    Ein Nawi sieht Mathematik als Hilfswissenschaft, und könnte sie auch als eine spezielle Art Sprachwissenschaft betrachten. Ein Mathematiker, der seine Kenntnisse der Naturwissenschaft zur Verfügung stellt oder in der Informatik tätig ist, ignoriert vielleicht den geisteswissenschaftlichen Charakter seines Fachs. Ein reiner Mathematiker, der sich mit seinem Fach selbst auseinandersetzt, sieht in der Mathematik vielleicht die Wissenschaft schlechthin, jenseits der vielbeschworenen Grenzen zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Gerade diese mögliche Betrachtungsweise erklärt auch die dezente Überheblichkeit manches Mathematikers.
    Inwieweit beide Fächer sich ergänzen kann ich nicht beurteilen. Sie sind über verschiedene Wege in doch großem Abstand miteinander verbunden, würde ich laienhaft behaupten - vielleicht erzeugt gerade dieser Abstand die nötige Spannung für Neuerungen.

    AntwortenLöschen
  2. Jeder Student der sich selbst mit dem Argument „seine Wissenschaft sei besser oder wichtiger als eine andere“ über die jeweils andere Wissenschaft hebt hat m.E. die allgemeine Hochschulreife noch nicht erlangt und sollte nochmals zurück an das Gymnasium.
    Jede Wissenschaft ist wichtig.
    Besonders wünschenswert sind aus meiner Sicht sogar jene Studenten die ein naturwissenschaftliches und eine geisteswissenschaftliches Fach studieren. Sie sind davor geschützt im engen Elfenbeinturm ihres jeweiligen Gebietes zu verdummen.
    Goethe war einer der letzten Wissenschaftler der praktische alle Disziplinen abdeckte. Heute werde an den Hochschulen nur noch Fachidioten ausgebildet. Es seid denn, der Student kümmert sich selbst um einen Blick über den Tellerrand.

    AntwortenLöschen

CATOteam 2013
Ceterum censeo...