Theresa Kruse
Monatsthema 9/14
Ich bin verrückt. Da sind sich all
meine Kommilitonen einig. Dabei stehen auf der einen Seite die
Germanisten und auf der anderen die Mathematiker. Ich bin irgendwo
dazwischen. Wahrscheinlich ist das so, wenn man zwei Fächer
studiert, ohne das Lehramt fest im Blick zu haben. Dann wüsste ich
mich zumindest bei den Pädagogen heimisch.
Aber so begegnet mir auf beiden Seiten
vor allem Unverständnis und ich muss mich für das jeweils andere
Fach rechtfertigen. Allerdings zeigen die Germanisten dabei mehr
Respekt gegenüber den Mathematikern, während es in die andere
Richtung leider eher Verachtung ist. Doch wie kann es zu solch einer
Hierarchie zwischen den Disziplinen kommen? Es sind schließlich
beides Geisteswissenschaften!
Und über deren Sinn und Zweck lässt
sich mangels direkter Anwendung ohnehin streiten. Ein Mathestudium
ist schließlich ähnlich wie Sudokus lösen: Man probiert
irgendetwas und freut sich, wenn es am Ende passt. Dann beginnt man
mit dem nächsten. Inhaltlich klüger wird man daraus nicht direkt.
Anders ist es in Germanistik: In der Literaturwissenschaft werden
Texte gelesen und diskutiert. Und wer mehr Texte gelesen hat, findet
mehr Zusammenhänge zwischen den Worten. Genauso hat auch die
Linguistik ihren Inhalt: Warum sprechen die Menschen so wie sie
sprechen?
Doch weshalb scheinen gerade Mathematik
und philologische Wissenschaften so unvereinbar? Dabei wäre es doch
durchaus möglich zu kombinieren: Welche Rolle spielt Mathematik in
der Literatur? Oder linguistisch untersuchen, warum die Sprache der
Mathematik mit den immer gleichen Phrasen funktioniert. Dafür müsste
man sich natürlich auch mit der entsprechenden Mathematik
auseinandersetzen. Mit solch einem Fachbereich mathematische
Germanistik wäre gleichzeitig die Hierarchie überwunden.
Welchen Sinn das ganze hat? Nun, ich
denke, danach darf man in der Wissenschaft zunächst nicht fragen.
Manchmal ist die Anwendbarkeit von bestimmten Disziplinen erst viele
Jahre später ersichtlich. Ich denke da an Primzahlen, deren Nutzen
in der Verschlüsselungstechnik erst in den letzten Jahrzehnten
wirklich wichtig wurde. Schließlich soll das Forschen in der
Wissenschaft doch vor allem Spaß machen und neue Erkenntnisse
bringen. Diese Erkenntnisse werden dann irgendwann wieder entdeckt,
weiterentwickelt und angewendet. Ein bisschen verrückt ist das
vielleicht schon.
Ein Beitrag für den ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb
Meta-Diskussionen zur Wissenschaft sind, gelinde gesagt, schwierig. Hier hat man es mit wenig Fakten und viel Emotionen zu tun.
AntwortenLöschenOb Germanistik und Mathematik verschieden sind, ist Ansichtssache, v.a. seitens der Mathematik.
Ein Nawi sieht Mathematik als Hilfswissenschaft, und könnte sie auch als eine spezielle Art Sprachwissenschaft betrachten. Ein Mathematiker, der seine Kenntnisse der Naturwissenschaft zur Verfügung stellt oder in der Informatik tätig ist, ignoriert vielleicht den geisteswissenschaftlichen Charakter seines Fachs. Ein reiner Mathematiker, der sich mit seinem Fach selbst auseinandersetzt, sieht in der Mathematik vielleicht die Wissenschaft schlechthin, jenseits der vielbeschworenen Grenzen zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Gerade diese mögliche Betrachtungsweise erklärt auch die dezente Überheblichkeit manches Mathematikers.
Inwieweit beide Fächer sich ergänzen kann ich nicht beurteilen. Sie sind über verschiedene Wege in doch großem Abstand miteinander verbunden, würde ich laienhaft behaupten - vielleicht erzeugt gerade dieser Abstand die nötige Spannung für Neuerungen.
Jeder Student der sich selbst mit dem Argument „seine Wissenschaft sei besser oder wichtiger als eine andere“ über die jeweils andere Wissenschaft hebt hat m.E. die allgemeine Hochschulreife noch nicht erlangt und sollte nochmals zurück an das Gymnasium.
AntwortenLöschenJede Wissenschaft ist wichtig.
Besonders wünschenswert sind aus meiner Sicht sogar jene Studenten die ein naturwissenschaftliches und eine geisteswissenschaftliches Fach studieren. Sie sind davor geschützt im engen Elfenbeinturm ihres jeweiligen Gebietes zu verdummen.
Goethe war einer der letzten Wissenschaftler der praktische alle Disziplinen abdeckte. Heute werde an den Hochschulen nur noch Fachidioten ausgebildet. Es seid denn, der Student kümmert sich selbst um einen Blick über den Tellerrand.