Sonntag, 1. Juni 2014

KW 22
Nach einer Woche Pause nun wieder das Wort der Woche - passend zum CATO-Top-Thema der letzten Wochen mit einer Betrachtung der Folgen der Europawahl.

Wort der Woche:Europoker

Erinnern Sie sich noch, wie Guy Verhofstadt selbstgefällig bei der Eurodebatte proklamierte, dass die Moderatorin mit dem zukünftigen Kommissionspräsidenten sprechen würde, da es sicher einer der fünf Spitzenkandidaten werden würde? Dass sich der Rat niemals an der europäischen Demokratie vergehen würde? Dass diese Personalentscheidung von den Wahlergebnissen abhängt?
Es scheint nun eine Woche nach der Wahl wie eine Notlüge - wir sehen, dass sich im Rat eine Front gegen Juncker bildet, der aufgrund des Ergebnisses das Recht zum ersten Anlauf haben sollte (auch wenn Schulz wohl einfacher eine Mehrheit gewinnen könnte). Dies hat genau den Grund, vor dem ich vor ein paar Wochen gewarnt hatte: dem Rechtsruck der etablierten Parteien als Folge der starken Ergebnisse der unfähigen Rechtspopulisten.
Cameron will gegenüber der UKIP wieder Boden gutmachen, indem er einfach ihre Position zur EU übernimmt (wie Merkel während der Fukushimakrise es mit den Grünen tat, was bekanntlich äußert erfolgreich war). Juncker wie Schulz sind wahre Europäer, setzten sich für den Förderalismus ein - nichts fürchtet das Ex-Empire mehr. Ähnliche Effekte sehen wir auch in Frankreich, wo Hollande (als Sozialist) zunehmend gegen Ausländer vorgehen will.
Blicken wir jedoch zurück aufs Postenpoker. Im Jackpot ist die Zukunft der europäischen Demokratie wie auch die Integrität des Lissabonvertrags. Da dieser schwammig formuliert ist, nimmt sich der Rat unter Führung von Cameron und Orban (dem "Super-Demokraten) und mit dem zu langen Schweigen der Kanzlerin ("qui tacet, placet" - hätte sie sich sofort hinter Juncker gestellt, hätte das Geklüngel vielleicht erst gar nicht begonnen) das Recht, selbst zu bestimmen, wen sie vorschlagen. Da das Parlament keinen Kandidaten selber stellen kann, ist der Rat im Vorteil.
Doch das Parlament hat noch ein Ass im Ärmel: Es muss den Vorschlag nicht annehmen. Einzige Einflussmöglichkeit des Rates ist über die Regierungschefs, welche Druck auf die Parteien und damit auf die Abgeordneten in Straßburg ausüben können. Doch grade in dieser Situation scheint es so, als würden sich die europäischen Abgeordneten zusehends von den nationalen Parteien emanzipieren und sich stattdessen eher mit den supranationalen Parteien identifizieren.
Wie geht es nun weiter? Eine erste Entscheidung wird im Rat stattfinden - geht er mit oder steigt er aus, das heißt: Wird er Juncker vorschlagen, wie es der Vertrag verlangt, oder wird er einen Vasallen des Rates vorschlagen und damit jede Hoffnung auf Demokratie und Einheit in Europa infrage stellen?
Die zweite Entscheidung wird im letzteren Fall sein, wie das Parlament entscheidet. Lehnt es einen Nicht-Spitzenkandidaten ab, könnte dies das neue Selbstbewusstsein Straßburgs demonstrieren. Sollte es ihn annehmen, wäre dies ein schwarzer Tag für Europa: Der endgültige Sieg der Nationalstaaten über die europäische Demokratie, eine Missachtung des Vertrags, eine Enttarnung des Parlaments als vom Rat abhängiges Organ und einen tödliche Torpedierung von 60 Jahren europäischer Integration.
Hoffen wir, dass allen Spielern das Risiko bewusst ist - das Pokerface ist längst gefallen.
Niklas Götz

4 Kommentare:

  1. Freude: Tausende wollen, dass Google sie vergisst. Dies zeigt, dass Google eben nicht jener uneingeschränkter Wohltäter der Gesellschaft ist, als den es sich darstellt. Diese Funktion wurde schon lange gefordert und war schon immer technisch möglich - nur von Google gewollt war sie nicht.

    Ärger: Cameron offenbart sein wahres Gesicht und drohte mit dem vorgezogenen Referendum zum EU-Austritt Großbritanniens oder sogar einem sofortigen Austritt.

    Ich frage mich nun: Ist ein Austritt GB ein Zeichen des Scheiterns der EU oder ist die EU ohne GB besser dran, verzögert GB also die europäische Integration nur?

    AntwortenLöschen
  2. Sabrina Küster1. Juni 2014 um 13:28

    Freude: Die Schäden des Hochwassers von 2013 sind mittlerweile fast vollständig beseitigt.

    Ärger: Giovanni die Lorenzo - Bildung schützt vor Dummheit nicht.

    AntwortenLöschen
  3. Freude:Die NPD entlässt sämtliche Mitarbeiter in der Berliner Parteizentrale - offensichtlich hat man es dort nicht geschafft, wichtige Unterlagen nicht zu vernichten - und damit 200000€ in den Sand gesetzt.

    Ärger: Generalbundesanwalt Range kapituliert und will nciht gegen die NSA ermitteln. Es mangele an Zeugen und Dokumenten, die USA wollen nicht helfen.
    Dies ist letzten Endes gleichzusetzten mit einer Kapitulation des Grundgesetzes, denn es gäbe immer noch einen Kronzeugen: Edward Snowden. Da dieser jedoch nicht befragt werden soll, werden die Interessen der USA über die Interessen und Rechte der deutschen Bürger gestellt - und damit auch über das Grundgesetz.

    AntwortenLöschen
  4. Ärger: der Fall Hoeneß wird weiter von den Medien ausgeschlachtet. Jetzt schreiben sie über den Haftantritt und die Haftbedingungen. Haben wir denn keine größeren Probleme die es zu diskutieren gilt?

    Freude: die Spanier demonstrieren gegen die Monarchie. Das ist gut so. Die Monarchie ist ein überholtes Relikt. Viele Demokratien wie USA oder Deutschland zeigen, dass man Stabilität in der Nation auch ohne einen König haben kann.

    AntwortenLöschen

CATOteam 2013
Ceterum censeo...