Niklas Götz
Monatsthema 7/14
Warum
haben Pflanzen keine Rechte? Warum ist der Verzehr von Hunden
verboten? Warum haben viele Menschen, obwohl sie Rind und Hühnchen
lieben, Probleme mit dem Verspeisen von Kalb und Stubenkücken? Die
Antwort ist einfach: Der Mensch gleicht manches Tier an sich an.
Es gibt unzählige theoretische Ansätze für ethische Modelle, die
jedoch stets ein Problem haben: Woher beziehen sie ihre Legitimation?
Warum gerade dieses Modell und nicht ein anderes? Und wenn es
wirklich so überlegen ist: Warum hält sich nicht jeder daran?
Bei der Tierethik ist das nicht anders. Immer wieder neue
Erkenntnisse verleiten dazu, zumindest manchen Tierarten ein Stück
Menschlichkeit zuzusprechen – doch kannman Menschlichkeit
aufteilen? Sollte der Mensch jahrtausende alte Verhaltensweisen
gegenüber Tieren aufgeben? Wie ist mit Tieren als "Halb-Menschen"
umzugehen?
Ein theoretischer Ansatz erzeugt offensichtlich mehr Fragen als
Antworten. Deshalb möchte ich die Tierethik beschreiben, die
wirklich realisiert ist: das intuitive Verhalten der Menschen. Dabei
möchte ich diese keineswegs gutheißen oder als Lösung darstellen.
Dennoch hat sich jede Theorie der Tierethik an dieser zu messen, will
sie den wirklich in die Tat umgesetzt werden.
Dem modernen mitteleuropäischen Menschen, auf den ich mich begrenzen
muss, begegnet das Tier nurmehr hauptsächlich als Haustier und auf
dem Teller. Diese Gebiete sind scharf abzugrenzen – wird diese
Grenze gebrochen, führt dies zu gesamtgesellschaftlicher Empörung,
siehe Pferdefleischskandal, Veganismuswerbung und Stereotypen zu
chinesischen Essgewohnheiten.
Wo liegt aber der elementare Unterschied zwischen diesen beiden
Bereichen, oder provokanter ausgedrückt: Was hat der Golden
Retriever, was die Mastsau nicht hat?
Diese Frage ist aber die falsche Herangehensweise. Es gibt Brüche
von der Trennung der beiden Bereiche auch in die andere Richtung,
wenn zum Beispiel ein Mastschwein zum Haustier wird. Auch so etwas
sorgt für Verwirrung, dennoch hat auch ein Nutztier die
grundsätzliche Fähigkeit zum "sozialen Aufstieg" als
Haustier. Demnach ist es nicht primär Problem der Rasse, sondern der
Umstände.
Vielleicht ist es hilfreich zu betrachten, wie das Verhalten der
Menschen zu Nutztieren und Haustieren ausgestaltet ist, dies jeweils
in den Extremfällen, da es auch eine breite Übergangszone gibt. Wie
bereits der Name schon sagt, sieht man ein Nutztier als eine belebte
und von Gesetzes wegen besonders geschütze Produktionseinrichtung.
Diese ist genormt, erhält keine emotionale Aufmerksamkeit und hat
keine Beziehung zum Menschen, die in irgendeiner Weise der Beziehung
zwischen Menschen entspricht. Das Nutztier ist ein Objekt, wie ein
Teigkneter auch, nur erfordert es mehr Aufwand um betrieben zu
werden. Die Psyche des Tieres erfährt keine Achtung, sondern muss
nur insofern der Einhaltung von Produktivität und Produktqualität
im Herstellungsprozess berücksichtigt werden.
Das Verhalten gegenüber Haustiere gestaltet sich größtenteils
gegenteilig. Haustiere werden oftmals als Familienmitglieder
betrachtet, inklusive der sich daraus ergebenden Rechte. Sie dienen
häufig als Ersatz für fehlende soziale Kontakte, weshalb man sich
dann auch zu ihnen verhält als wären sie menschlich – man spricht
sie an, setzt ihr Verstehen voraus und interpretiert ihr Verhalten
als Ergebnis bewusster und menschlicher Denkprozesse, teilweise als
Denkprozesse eines Kindes. Führt man dies zusammen, so ist das
Haustier ein Subjekt, das vollständig vermenschlicht ist. Der
tierische Körper ist nur noch die Erscheinungsform, begleitet von
der mangelnden Fähigkeit zu sprechen.
Aus diesen Rollendiskrepanzen ergibt sich auch eine Diskrepanz in der
Ethik – während dem Tier als Objekt nur minimale Recht zukommen,
so hat das Tier als Subjekt in weiten Teilen den gleichen Wert wie
ein menschliches Individuum.
Nun können wir diese Unterscheidung auch verallgemein und dann doch
noch einmal zwischen verschiedenen Fällen bei den Tierarten
differenzieren.
Der Mensch kennt also nur dann eine Tierethik, wenn er die
Menschenethik auf Tiere erweitert, indem er Tiere zur Gemeinschaft
der Menschen hinzufügt. Dies erfordert den Vorgang der
Vermenschlichung.
Dieser Vorgang kann durch verschiedene Umstände vereinfacht und
damit beschleunigt werden. Betrachtet man nun Tiere, die gemeinhin
beliebt sind (Haustiere, Delfine, Pandas), so zeigen diese
Eigenschaften wie das Erfüllen des Kindchenschemas, eine hohe
Intelligenz, gewisse Ähnlichkeit in den Gesichtszügen zu denen der
Menschen, keine allzu fremde Physiologie und menschenfreundliches
Verhalten. Dies erleichtert aufgrund der Nähe zum Menschen die
Vermenschlichung und gibt ihnen somit exklusive Rechte. Die tierische
Erscheinungsform in Physis und Psyche kann leichter ignoriert werden,
wenn sie kaum von der eigenen abweicht.
Andere Tiere, die gesellschaftlich verachtet sind (Haie, Spinnen,
Schlangen) zeichnen sich durch gegenteilige Eigenschaften dar –
schlechtes, gefährliches Image, unmenschliche Physiologie und ein
irritierendes Verhalten. Hier ist aufgrund der großen Unterschiede
keine Vermenschlichung möglich und damit kein ethisches Verhalten.
Ähnliches auch bei nicht "gewöhnlichem" tierischem Leben,
wie Weichtiere, welche so unmenschlich sind, dass ihnen keinerlei
Schutz zukommt.
Auch die Engstirnigkeit vieler Menschen im Bezug auf die
grundsätzliche Gleichberechtigung von pflanzlichem und tierischem
Leben ist damit begründet, dass pflanzliche Lebensformen optisch
nicht vergleichbar mit tierischem und damit menschlichem Leben sind.
Entscheidend für den Vorgang der Vermenschlichung ist auch der
Kontakt – nur wenn der Kunde das Schwein vorher kannte, hat er
Probleme mit dem Verzehr des Schnitzels. Der Kontakt mit dem Tier
beziehungsweise die Möglichkeit, sich das Tier mit seiner
Persönlichkeit vorzustellen, ist notwendig für die
Vermenschlichung. Nur wenn dem Tier eine individuelle Persönlichkeit
zugesprochen werden kann, wird es auch in ethische Überlegungen
einbezogen.
Die momentan vorfindbare Bioethik, welche sich ja auch in der
Gesetzgebung wiederfindet, ist deshalb grundsätzlich
anthropozentrisch, da es keine eigene Ethik für die Beziehung
Mensch-Tier gibt, sondern nur die Tiere in die Menschenethik
miteinbezogen werden.
Das diese Ethik nicht fair ist, steht außer Frage. Jedoch können
wir den Schluss ziehen, dass Menschen möglicherweise gar nicht zu
einer nicht-anthropozentrischen Ethik fähig sind. Warum nehmen sie
sonst den Umweg über die Vermenschlichung von Nicht-Menschlichen?
Jede zukünftige Tierethik muss möglicherweise anthropozentisch
sein, um auch wirklich erfolgreich umgesetzt werden zu können.
Ein äußerst schwieriges Thema. Ich stimme dir auf jeden Fall insoweit zu, dass jede Tierethik anthropozentrisch sein muss, wenn sie realistisch sein will. Wo man jedoch die Grenzen zieht, ist jedoch eine so individuelle Angelegenheit, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass man es schaffen wird, eine systematische Tierethik aufzustellen, der auch nur der Großteil der Bevölkerung zustimmt.
AntwortenLöschenNunja, theoretisch müsste eine Tierethik ja biozentrisch sein, da ja die Tiere ethische Objekte sein sollen. Nur der Mensch scheint dazu nicht fähig.
AntwortenLöschenEine Tierethik, die von vielen Menschen aktzeptiert wird, ist möglich. Allerdings nur in Verbindung mit Ideologien und Religionen, wie im Hinduismus.
http://www.n-tv.de/panorama/Zweierlei-Mass-beim-Fleischkonsum-article13535831.html
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