Samstag, 26. Oktober 2013

Sollte man die Sonntagsarbeit verbieten?
Martin Lotter
 
Der Landrat von Würzburg hat angekündigt, dass er künftig Strafen an Landwirte verhängen wird, die an Sonntagen ihre Felder bestellen. Es sei denn, der Landwirt kann eine Notlage nachweisen. Notlagen sind in der Regel Unwetter oder andere Gefahren für seine Ernte.
Die Ankündigung war notwendig, da viele Landwirte den Sonntag mehr oder weniger als normalen Arbeitstag zur Feldbestellung nutzen. Anwohner hatten sich bei den Behörden darüber beschwert. Mittlerweile wird dieses Thema breit diskutiert. Nicht nur in den Lokalzeitungen1, sondern auch im landesweiten Fernsehen2 .
Meines Erachtens ist die verbreitete Sonntagarbeit nicht nur ein Thema für Landwirte. Vielmehr muss sich der Landrat die Frage gefallen lassen, warum wir streng gegenüber Landwirten sind, aber locker gegenüber anderen Branchen.
Es stellt sich ferner die Frage wie wichtig unserer Gesellschaft die Sonntagsruhe heute noch ist?
Sicher gibt es viele Bereiche, in denen jeder Gegner der Sonntagsarbeit – und das sind nicht nur die Kirchen – sagen würde, die Arbeit ist akzeptabel. Dazu gehören sicher der öffentliche Nahverkehr, Polizei, Krankenhäuser und ähnliche Bereiche. Jeder möchte und braucht im Notfall einen Arzt oder die Polizei. Diese Bereiche dienen der umfassenden Daseinsvorsorge der Bürger und sind täglich und ganzjährig notwendig.
Es gibt aber viele Bereiche in unserem Land, das Verbot der Sonntagsarbeit schon längst legal ausgehebelt wurde.
Warum haben Tankstellen sonntags geöffnet? Kann man das Auto nicht auch an Werktagen betanken? Reicht es nicht, wenn in jeder Stadt für den Notfall nur eine Tankstelle geöffnet hätte? So handhaben es die Apotheken auch. Tankstellen sind keine wichtige Daseinsvorsorge. Sie könnten geschlossen sein.
Warum müssen Autohäuser und Möbelhäuser an Sonntagen geöffnet haben, auch wenn sie die Einschränkung haben „kein Verkauf, nur Beratung“. Warum haben Sonnenstudios an Sonntagen geöffnet? Ich kann mich am Sonntag von Mitarbeitern in den Callcentern in Bank- und Versicherungsfragen beraten lassen. Reicht es nicht, wenn der Callcenter werktags erreichbar ist ?
Viele Industriebetriebe arbeiten im 3-Schichtbetrieb rund um die Uhr von Montag bis Sonntag. Ist es notwendig, dass der VW-Golf auch sonntags produziert wird?
Bald ist Advent, und in vielen Städten ist wieder „verkaufsoffener Sonntag“. Allein dieser Begriff zeigt, dass der Sonntag den Zweck hat, Ware zu verkaufen und damit dem Gewinnstreben der Geschäftsinhaber dient. So ist es auch bei Volkswagen. VW verdient durch Sonntagsarbeit mehr Geld und die Aktionäre erhalten mehr Dividende.
Aber was macht der Landwirt anders? Er bestellt seinen Acker, um Geld zu verdienen. Die Tankstelle hat geöffnet, um Geld zu verdienen. Und die Geschäfte in den Fußgängerzonen wollen an den verkaufsoffenen Sonntagen im Advent ebenfalls Geld verdienen. Das Geld ist den Menschen heiliger als der Sonntag. Den meisten Arbeitnehmer, die an den Sonntagen arbeiten „müssen“, wohl auch. Üblicherweise erhalten sie für ihre Sonntagsarbeit satte Zuschläge auf das Grundgehalt.
Hier stellt sich nun die grundsätzliche Frage: Was bedeutet uns als Gesellschaft der Sonntag? Degradieren wir ihn schrittweise zu einem Werktag oder ist uns die Sonntagsruhe wichtig?
Wollen wir eine Woche haben, die eingeteilt ist in 6 Tage, die von Arbeit, Erledigungen und hektischer Betriebsamkeit geprägt sind, verbunden mit einem siebten Tag – dem Sonntag - mit bewusster und fast erzwungener Ruhe? Erzwungen deshalb, weil wir dann die legale Sonntagsarbeit in den Industriebetrieben oder die sonntäglichen und legalen Einkaufs- und Freizeitangebote oder Dienstleistungsangebote massiv einschränken müssten. Die Sonntagsruhe wäre wieder hergestellt, wenn wir die legale Beschäftigung auf die oben erwähnte notwendige Daseinsvorsorge reduzieren. Jede andere Beschäftigung wäre nicht zulässig.
Oder wollen wir als Gesellschaft dem Weg weitergehen, auf dem wir schon lange sind? Sukzessive wird der Sonntag zu einem Tag wie jeder andere. Es wird immer mehr „verkaufsoffene Sonntage“ geben. Immer mehr Geschäfte und immer mehr Dienstleister werden geöffnet haben. Länder in Osteuropa sind hier Vorreiter. Der Sonntag wird dann zu einem Werktag, an dem man arbeitet, einkauft und all das tun kann, was man Montag bis Samstag auch erledigt. Mit einem Unterschied: Sonntag früh wird es ab und zu mal laut in der Stadt. Die Kirchen werden mit Glocken daran erinnern, dass dieser Tag in der Vergangenheit einmal einen anderen Zweck hatte.


1) siehe in der Mainpost u. a. in der Ausgabe 5. Oktober 2013
2) siehe Bayerischer Rundfunk, in der Sendung Quer vom 17. 10. 2013


6 Kommentare:

  1. Ich halte von diesem Vorschlag eigentlich nichts.
    Die einzige Legitmation des Sontnagsarbeitsverbots ist die besondere Bedeutung dieses Tags in der christlichen Religion. Diese ist aber in Deutschland auf dem Rückzug.
    Um es mit Nietzsche zu sagen "Gott ist tot". Damit meinte er nicht den christlichen Gott als Person, sondern seine Dominanz in der Gedankenwelt. Nie stimmte das mehr als jetzt. Der Großteil der Bevölkerung ist nicht genügend vom Christentum überzeugt, um deshalb einen arbeitsfreien Tag zu wollen.
    Nach Minderheiten sollten wir uns nicht richten, sonst kommt die "Religion des fliegenden Spaghettimonsters" (gibts wirklich) und will auch ihren Feiertag.
    Außerdem hat die Kirche, um die Produktiviät zu erhöhen, selbst an die 50 Feiertage gestrichen (im Mittelalter).
    Was Erholung angeht: da soll die Wissenschaft herausfinden, wann die beste Zeit für eine Pause ist.
    Sicherlich nicht Sonntags.

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  2. Einen festgelegten Ruhetag die Woche halte ich schon für eine gute Idee. Was passiert, wenn sich der Mensch keine Pause mehr gönnt, sieht man zuhauf in unserer Gesellschaft, Stichwort Burnout. Natürlich lässt sich darüber streiten, wann genau dieser Tag sein soll. Solange jedoch das Christentum immer noch die vorherrschende Religion ist, ihr historischer Einfluss auf Tradition und Kultur sich noch nicht verflüchtigt hat, und es keine zwingenden wissenschaftlichen Gründe dagegen gibt, warum nicht Sonntag?

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  3. Das Christentum ist vielleicht die vorherrschende Religion, aber nicht die vorherrschende Weltanschauung.
    Christliche Werte haben Kulturhoheit, nicht die Religion.
    Die meisten Deutschen sind Agnostiker.

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  4. Dass die meisten Deutschen Agnostiker sind bezweifle ich. Es gibt rund 24 Mio Katholiken und knapp weniger aus der Gruppe der Evangelischen. Die bezahlen alle Kirchensteuer. Diese Menschen sind nicht nur auf dem Papier Christen denn sie zahlen alle fleißig Kirchensteuer. Das tut man nicht wenn man Angostiker ist. Da ist m.E. Überzeugung dahinter.
    Aber ganz generell: die Diskussion geht in die falsche Richtung. Wie sieht unsere Gesellschaft aus wenn sich der Trend zur Sonntagsarbeit fortsetzt ? Ginge es den Menschen besser wenn wir nur einen Tag in der Woche ( es ist nun mal in der gesamten christlich geprägten Welt der Sonntag) mehr Ruhe einkehren lassen würden? (Und mit besser meine ich nicht finanziell )

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  5. Der Steuerbescheid und die Weltanschauung haben leider wenig miteinander zu tun.

    Gegen freie Tage habe ich nichts :). Nur der Zwang, den halte ich für fragwürdig.

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  6. jetzt hat auch das Bundesvewaltungsgericht entschieden, dass Sonntagsarbeit grundsätzlich nur in Außnahmefällen zulässig ist, also für die Feuerwehr oder Krankenpflege. Aber muss ein Callcenter oder eine Lottoannahmestelle am Sonntag geöffnet haben? Das Gericht sagt Nein. Und das ist gut so.

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