Martin Lotter
Montatsthema 10/12
Die Einteilung in den linken und rechten Block ist sicher noch möglich. Doch ist es auch richtig, dass mit der zunehmenden Breite der Parteienlandschaft und mit der Veränderung der Gesellschaft die Zuordnung von Parteien – insbesondere der neuen Parteien – zu einer Richtung schwieriger wird.
Montatsthema 10/12
Die Einteilung in den linken und rechten Block ist sicher noch möglich. Doch ist es auch richtig, dass mit der zunehmenden Breite der Parteienlandschaft und mit der Veränderung der Gesellschaft die Zuordnung von Parteien – insbesondere der neuen Parteien – zu einer Richtung schwieriger wird.
Die Gesellschaft hat sich verändert,
und damit auch die Parteien.
Betrachtet
man die Geschichte, so gab es traditionell zwei Lager. Das aus dem
Arbeitermilieu entstandene linke Lager und das bürgerliche Lager mit
konservativer und religiöser Prägung. In den bürgerlichen Block
kann man grundsätzlich auch die Liberalen einordnen. Zwar waren sie
in der Geschichte der Bundesrepublik einige Zeit auch
Koalitionspartner der SPD. Grundsätzlich ist aber die Schnittmenge
mit den bürgerlichen Parteien größer.
Nach
dem Zweiten
Weltkrieg war bis zur Wahl 1983 der Bundestag eine
Drei-Parteien-Veranstaltung
(von Splitterparteien in den ersten Wahlen abgesehen). Die meisten
Arbeiter wählten traditionell SPD. Dies kann man sehr gut an den
Wahlerfolgen der SPD in den Industrieregionen erkennen. So zum
Beispiel
im Ruhrgebiet. Die Union hat ihre Stammwähler eher in ländlichen
Regionen. Hier ist die konservative und religiöse Einstellung der
Bevölkerungsschichten ausgeprägter und damit das Wählerpotential
der Union. Die Unternehmerschicht oder die Freiberufler wählten
traditionell eher die Liberalen. Ihre Stärke hatten sie dort, wo es
viele mittelständische Unternehmen gibt. So zum Beispiel im
wirtschaftlich prosperierenden Baden-Württemberg. Die Bundes- oder
Landtage waren ein Drei-Parteienparlament.
Bei den Wahlen waren die Ergebnisse der „sonstigen Parteien“,
also jener
unter fünf
Prozent, meist
verschwindend gering.
1983
kamen erstmals die Grünen in den Bundestag. In der Folge waren auch
immer wieder weitere kleine Parteien erfolgreich. Allerdings waren
sie nur selten in den Landtagen vertreten (vereinzelt DVU, NPD,
Republikaner). Die „sonstigen Parteien“ konnten mittlerweile
teils hohe Stimmenzahlen auf sich vereinigen,
auch wenn sie wegen der Fünf-Prozent-Hürde
nicht in den Parlamenten vertreten waren. Daraus lässt sich
ableiten, dass die linken und rechten Lager nicht mehr so homogen und
stabil waren wie in der Vergangenheit. Dies trifft auf alle
traditionellen Parteien zu. Der Trend seit den 1980ern
war: Der
Stammwählerkern der drei
etablierten Parteien Union, SPD und Liberale wurde kleiner und es
entstanden weitere Parteien. Die Ursachen sind vielfältig.
Die
klassische „Arbeiterschicht“ hat sich verändert. Deutschland hat
sich von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft
gewandelt. Damit sind aus Arbeitern Angestellte mit einem eigenen
Selbstverständnis geworden. Und welcher Angestellte lässt sich
gerne als „Genosse“ anreden, was bei der SPD immer noch üblich
ist. Der Mitgliederschwund der Gewerkschaften ist ebenfalls ein
Anzeichen dafür, dass die Arbeiterschicht kleiner wird und damit das
Wählerpotential der SPD.
Der
ehemals stabile Kern des bürgerlichen Lagers zeigt ebenfalls
Degenerationserscheinungen. Dies kann sicher damit begründet werden,
dass sich zum einen der Einfluss der Kirchen reduziert und dass sich
generell
Traditionen auflösen. Ein „C“ im Parteinamen führt zwangsläufig
nicht mehr zu einem Kreuz bei der Wahl durch einen
Christen. Die Mitgliedschaft im Heimat- oder Trachtenverein oder im
Bauernverband führt nicht mehr zwingend dazu eine konservative
Partei zu wählen. Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten 30
Jahren zu einer Informationsgesellschaft entwickelt. Damit haben auch
die Bürger mehr Informationen
und können diese für Ihre Wahlentscheidungen nutzen. Gab es früher
nur die Lokalzeitung und im besten Fall ARD und ZDF, so steht
auch den Bürgern in der Provinz heute eine Vielzahl von Medien zur
Verfügung. Somit wird
eben nicht mehr die gleiche
Wahlentscheidung getroffen, welche schon die Generationen vorher
getroffen haben.
Aber
dem Bürger stehen heute nicht nur mehr Informationen zur Verfügung,
sondern auch
die Bürger selbst sind andere geworden. Sie sind selbstbewusster,
gebildeter und aufgeklärter. Die Nachkriegsgeneration hatte im
Durchschnitt einen geringeren Bildungslevel als die heutige
Generation. Mit geringerem Bildungslevel ist auch die
Wahrscheinlichkeit höher, innerhalb des eigenen Milieu zu wählen.
Soll heißen, der Stahlarbeiter im Ruhrpott wählt SPD und der
katholische Bauer vom Land eben CSU. So hat auch schon der Großvater
gewählt, der war ja auch im gleichen Milieu. Die Kinder des
ehemaligen Stahlarbeiters haben aber mittlerweile
Abitur
und an der Ruhr-Universität
BWL studiert und der Sohn des Bauern an der TU München Physik. Von
der jungen Generation wird eben auch stärker hinterfragt, wem man
sein Kreuz am Wahltag gibt. Und das kann im Zweifel auch bei einer
Splitterpartei sein, weil diese Parteien dem
eigenen Weltbild näher sind.
Unsere
Gesellschaft ist eine andere als vor 30 Jahren. Durch
Migrationshintergrund oder durch eine stärkere Individualität
bilden sich Haltungen und ergeben sich Prägungen, welche in das
klassische Parteienschema nicht mehr passen. Dies zeigt sich
besonders in großen Städten. Gut ausgebildete Menschen, welche
keine Traditionen pflegen oder gesellschaftliche Wurzeln haben,
fühlen sich kaum von konservativen Parteien vertreten. Mit der
klassischen linken Arbeiterpartei wollen sie
aber genauso
wenig in
Verbindung gebracht
werden. Sie sind selbständig und selbstbewusst. Daher ist ihnen der
Überstaat des linken Spektrums zuwider. Rechts und links scheidet
aus. Bleiben Grün, Liberal oder eine sonstige Partei. Gerade in
großen Städten ist das Angebot an Splitterparteien erheblich. Den
größten Erfolg erzielen Splitterparteien in den Großstädten, weil
dort die Individualität der Bürger am stärksten ausgeprägt ist.
Bei
der letzten Bundestagswahl konnte der Wähler aus über 20 Parteien
auswählen. Aber warum gibt es so viele Parteien? Und warum haben
Parteien wie die
AfD oder die
Piraten in kürzester Zeit solche Wahlerfolge erreicht? Ein
wesentlicher Grund ist, dass es heute recht einfach ist, eine Partei
zu etablieren. Durch die verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten
via Internet in
sozialen
Netzwerken
lassen sich gleichgesinnte Mitbürger leichter für den Aufbau einer
Partei gewinnen. Vor 30 Jahren, als das Fax die größte technische
Errungenschaft war, war es deutlich schwieriger Mitglieder zu
gewinnen. Die lediglich zwei öffentlich rechtlichen Fernsehsender
trugen ebenfalls nicht zur Meinungsvielfalt bei. Dies ist heute
anders. Und damit lässt sich auch der rasante Aufstieg von Piraten,
ehemals Schill-Partei
oder AfD zumindest mitbegründen. Ein Parteiprogramm, das den Nerv
der ausreichend großen Zielgruppe trifft und von anderen Parteien
nicht bedient wird, ist natürlich auf Dauer unabdingbar.
Die
Folge dieser Parteienvielfalt ist, dass diese Parteien weniger Volks-
sondern Nischenparteien mit eingeschränktem Themenspektrum sind. Sie
bieten oft ein eindimensionales
Wahl- oder
Parteiprogramm. Ob die
Partei Bibeltreuer Christen, die Grauen als Rentnerpartei oder die
Rosa Liste –
sie all outen
sich allein durch ihren
Namen als Nischenanbieter.
Wo sind nun diese
Kleinstparteien zuzuordnen? Rechts oder links? Kann man aus einem für
diese Partei prägenden Thema ableiten, ob die Partei im politischen
Spektrum links oder rechts ist? In Ermangelung einer breiten
Abdeckung aller wesentlichen Politikfelder ist es nur bedingt
möglich, kleine Parteien dem rechten oder linken Block zuzuordnen.
Somit
kann man feststellen, dass wir eine Tendenz dahingehend haben, dass
die großen politischen Blöcke einer
Erosion unterliegen und sich zunehmend
Randparteien bilden, welche nicht zwingend einem Block zugeordnet
werden können.
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