Sonntag, 15. September 2013

Niklas Götz

Der zweite Teil der Wahljahr Trilogie zeigt kritisch und satirisch meine Impressionen des Wahlabends, sowohl des Ergebnisses als auch der Berichterstattung durch das BR. Eine Analyse der Gründe für das Abschneiden der Parteien wie auch Aussichten für die kommende Wahl und der bayerischen Politik ist ebenfalls angefügt.



Es war ein kurzer, je nach Gesinnung mehr oder minder schmerzhafter Wahlabend. Bereits die erste Prognose machte jegliche Hoffnungen oder Ängste zunichte. Auf einen größeren Tiefpunkt könnte die Spannung an einem solchen Wahlabend gar nicht sinken.
Dabei hatte es einst so spannend angefangen: "Crazy Horst Drehhofer" gegen "Möchtegern-Messias Christ-ian Ude", dieses Duell David gegen Goliath wurde nur durch den Rottweiler Dobrindt gestört. 
Wenn man sich heute Abend die Hochrechnung anguckt, fragt man sich, was aus der SPD ohne den Ude-Effekt geworden wäre. Überhaupt stellt sich mir die Frage, weshalb die Hälfte aller Wähler in Bayern CSU wählt. Was hat diese Partei an sich, dass alle Kugelschreiber sich magisch zu ihrem Kreis (der entgegen Vermutungen Norddeutscher übrigens genauso groß ist wie der anderer Parteien) bewegt, sobald man die Wahlkabine betritt.
An guter Arbeit allein kann es nicht liegen, sonst hätte die FDP heute nicht so bluten müssen. Überhaupt empfinde ich schon Mitleid: Vor fünf Jahren flüchteten sich konservative Raucher massenhaft unter ihre Fittiche, krönten sie dadurch und nun saugt die CSU sie wie einst die Bayernpartei einem Vampir gleich aus, sodass keinen Stimmenblut mehr übrig ist, um den von Gelbsucht geplagten Körper am leben zu erhalten. Denn alle Konservativen ahnten das Schicksal und hatten Angst, ihre Stimme zu verschenken. (würde man FDP wählen und diese schafft nicht die 5%-Hürde, so ginge die Stimme verloren und die CSU schafft vielleicht nicht die Mehrheit).
Zurück zu CSU: Wenn es nicht die Arbeit ist, was dann? Charismatische Politiker? Dagegen spricht der verschwindend geringe Ude-Effekt, da Ude ja als langjähriger Ex-Bürgermeister von München der Trumpf im Ärmel jeder Partei wäre. Außerdem ist allgemein bekannt, das Seehofer sich sowieso zurückzieht - kein informierter Wähler gibt seine Stimme wegen ihm her.
Es bleibt nur noch eins: die erzkonservative Tradition. Die CSU hat sich in 56 Jahren tumorös in die bayerische Gesellschaft hineingefressen, so tief, dass beide nicht mehr zu trennen sind. Wie siamesische Zwillinge teilen sie sich ein und die selben Organe (vor allem jene, die man Brauchtum zuordnet), sodass ein Schnitt, eine politische Zäsur tödlich wäre.
Die CSU hatte hier ideale Bedingungen, um diesen Stand zu erreichen: Sie war Erbin des Zentrums, jener katholischen Partei, die der NSDAP keinen Widerstand bot, und konnte so das erzkatholische Altbayern erobern (im Gegensatz zur religiös neutralen SPD). Außerdem ist sie konservativ, und das hat einen entscheidenden Vorteil gehabt: Konservative neigen weniger dazu, ihre politische Haltung zu wechseln, sie sind seltener Wechselwähler, sie sind stärker in der Gesellschaft vertreten, und sie versuchen stets, ihre Überzeugung der nächsten Generation weiterzugeben (was auch die stärke der CSU bei Erwählern erklärt).
Mit diesem Wettbewerbsvorteil konnte sich die CSU vor allem auf dem Land etablieren, Strukturen bilden, wie es die SPD und die CDU in anderen Ländern nie schaffte. Auch der Mangel an echter Arbeiterschaft und der starke Antikommunismus trugen dazu bei.
Daraus folgt, dass, solange es das alte Bayern im Kopf und in den Strukturen gibt, die CSU schon sehr ungeschickt (siehe Nichtraucherschutz; ich befürworte ihn, aber eben nicht die CSU-Wähler) sein muss, um vom Thron zu fallen.
Was war heute Abend sonst noch erwähnenswert? Die Duckmäusrigkeit der Opposition, die artig den Sieger beglückwünscht und jetzt 5 Jahre sinnlos Opposition spielt, die bei dieser Lage sowieso nur Urlaub machen kann? Oder die andere Facette, dass die Moderatoren erinnern müssen, welche Macht die Opposition hat, wenn sie demagogisch gegen Donauausbau kämpft, schnell die Mehrheit der Bevölkerung und damit auch "Drehhofer" hinter sich bringt und somit mtiregiert?
Die Phrase der FDP, dass sie als Juniorpartner Probleme hatte, ihre (!) Leistung begreifbar zu machen? Die neue Idee des BR, auch mal Wähler anstatt nur Viertreihenpolitiker nach ihrer Meinung  zu fragen, um auch mal überraschende Antworten zu erhalten?
Ja. Alle diese Punkte sind erwähnenswert. Aber kaum einer von ihnen kann diese Wahl noch richtig spannend machen.
Wie geht es nun weiter in Bayern? Genauso wie immer. Die CSU regiert durch, wie sie es seit einem halben Jahrhundert tut. Die Opposition (allen voran die heldenhafte ödp, die selbst mit einer Handvoll Wähler Gesetze durchbringt) wird weinen und ab und zu mit Volksentscheiden auf sich aufmerksam machen, daneben werden die wenigen Abgeordneten viel Freizeit haben, nach dem Motte "Widerstand ist zwecklos!". Aus Tradition wird man in allen Fraktion weiterhin versuchen, die gesamte Sippe zu beschäftigen (es ist den Wählern laut umfragen sowieso egal). In drei Jahren wird der Sonnenkönig Seehofer (mehr dazu unter http://www.zdf.de/ZDFmediathek#/beitrag/video/1984400/Sonnenk%C3%B6nig-von-Bayern - eine kleine Satiredelikatesse) seinen Thron Räumen, um für Mutti II. (alias Ilse Aigner) Platz zu machen. Die FDP wird zusammen mit der restlichen Opposition eine Untergrundorganisation, die "Crazy Horst" genauso wenig wie Brüssel aufhalten kann - zumindestens im Wahlkampf, denn danach spielt Maut sowieso keine Rolle mehr. Ansonsten: Im Süden nichts neues. 
Wie geht es nun weiter in Deutschland? Das wird noch eine spannende Woche. Steigt die FDP nach dem Defibrillatorschock Bayern aus dem Grab herauf? Oder wird sie auch hier durch die "Beide Stimmen CDU"-Kampagne vernichtet? Kommen die Grünen durch den gleichen Mechanismus aus dem Umfragentief hinaus? Man weiß es nicht. Aber die Auswirkungen werden sich in Grenzen halten, viele Briefwähler haben ihre Stimme schon abgegeben - vor allem Bayern. Aus diesem Grund ist zu vermuten, dass sich nicht viel ändert.
Aber selbst ich als Freund der Opposition muss sagen - so schlecht steht es nicht um Deutschland - aber auch nicht so gut wie Merkel sagt.

4 Kommentare:

  1. Und nun noch schnell etwas zur Berichterstaatung danach:
    Der Deutschlandfunk lässt treffend kommentieren: "Sowas gibts neben Bayern nur in China und Nordkorea!"
    Bei der Elefantenrunde danach lässt der BR seine ganze Boshaftigkeit offenlegen: Die FDP war nicht dabei.
    Ude lächelt grenzdebil, während die Spitzenkandidatin der Grünen leicht deprimiert staatsmännisch den Redefluss aufrechterhält.
    Seehofer schafft sich bei der SPD Freudne, indem er dazu aufruft, Steinbrücks Stinkefinger nicht zu ernst zu nehmen (schließlich macht er auch oft solche Böcke).
    Seehofer und Ude loben sich gegenseitig, um sich kurz darauf doch wieder herauszufordern.
    Das BR ist nach nordkoreanischer Tradition ja in ständigem Telefonkontakt zu Seehofer, weshalb sie ihn auch gleich fragen, ob Merkel vor ihm und seiner Macht Angst habe.
    Zuletzt läuft Seehofer auch noch einmal mitten durchs Bild, um ohne Mikrophon zu schreien: "die Volksparteien leben!"
    Nach einem Ausflug zu den Regionalmetropolen, wo verkündet wurden, dass es noch keine Ergebnisse gebe, bestätigt die Statistik meine These: alle haben von der hohen Wahlbeteiligung profitiert, die CSU schluckte aber die FDP.

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  2. Sascha Lobo, einer der bekanntesten Blogger in Deutschland, schreibt zur Wahl gerade auf Twitter: "Sagen wir mal so: Wenn nächste Woche Aliens landen, gibt es eine gute Chance, dass ich deren Kultur besser verstehe als Bayern“
    Da stellt sich die Frage: ist Bayern tatsächlich so anders? Ich meine nein, das ist es nicht. Bayern ist auch nur ein Bundesland wie jedes andere und die Menschen wählen nach gleichen Kriterien. Das Kriterium ist: Was hat die aktuelle Regierung gutes für mich getan oder was wird die Regierung für mich tun.
    2008 war ein Sonderfall in den letzten 50 Jahren. Der Wirtschaft in Bayern ging es gut, aber die CSU war in sich zerstritten, ihre Wähler waren verunsichert. Daher haben viele CSU-Wähler 2008 entweder nicht gewählt oder FDP gewählt. Daher hatte die CSU ausnahmsweise weniger als 50 % der Stimmen und Sitze.
    Dieses Bild hat sich in 2013 umgekehrt. Die „Notfall-FDP-Wähler aus 2008 haben wieder vertrauens-voll CSU gewählt. Tatsächlich hat die FDP heute nicht 6 % der Stimmen verloren, denn sie hatte nie mehr als 3 % echte Wähler in Bayern. Und die Nichtwähler sind ebenfalls zurückgekehrt. Daher auch der Zuwachs in der Wahlbeteiligung. Es sind immerhin 300.000 !! Nichtwähler zur CSU zurückgekehrt. Das sind 3 % der Wahlberechtigten.
    Fakt ist: die Wähler in Bayern haben die Arbeit der letzten 50 Jahre honoriert. Es gab keine Wechselstimmung. Und Die CSU hat sich nicht wie 2008 selbst geschlagen.
    Eigentlich ein ganz normaler Wahlsonntag in Bayern. Man muss sich nur mal mit Bayern beschäftigen anstatt sinnfrei zu twittern.

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  3. Es ist sogar noch normaler als Sie darstellen: 120000 Nichtwähler haben SPD gewählt - verglichen mit den 300000 der CSU ist das gleichwertig.
    Die Linke hat sich aufgelöst und ist zu den beiden Volksparteien übergegangen, Wechselwähler eben, wie bei den Grünen.
    Meiner Meinung nach wurden keine Arbeit honoriert, sonst hätte die FDP zumindest ein paar mehr "echte" Stimmen erhalten und die Wahlergebnisse der CSU würden sich auch ab und zu stärker verändern anstatt nur auf das Nichtraucherschutzgesetzt zu reagieren.
    Die CSU und Bayern, die gehören halt zusammen wie die SPD und die Arbeiter. Aber das können Nichtbayern schwer verstehen. Deshalb denke ich, dass der Tweet nicht sinnfrei, sondern ein schönes Beispiel für innerdeutsche kulturelle Unterschiede ist.
    Ich frage aber: honoriert der Wähler die Arbeit der Opposition, die die Politik der CSU so stark mitbestimmt? (siehe Donauausbau und Co.). Honoriert er Linientreue (in "Drehhofer" steckt auch Wahrheit)?
    Es ist so: Man wählt CSU, weil man Bayer ist.

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  4. Ich frage mich, was unsere Leser - egal ob bayerisch oder nicht - von dem Ergebnis halten. Schadet eine Alleinregierung oder führt sie im Gegenteil zu einer produktiven Politik. Ist der Vergleich mit Russland und Co. ein ungeschickter satirischer Schachzug oder hat er ein Fünkchen Wahrheit?

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