Montag, 2. September 2013

Niklas Götz

Das Medienereignis des Jahres, an dem wohl keiner vorbeikam - kritisch betrachtet, heiß serviert und mit einem Hauch Satire abgeschmeckt. Politik, Medien und Menschen waren hier miteinander vermengt und geschmort worden, wie Sie es erst wieder in vier Jahren kosten werden. Darum probieren Sie diesen Gruß aus der CATO-Küche - sie werden das Duell mit neuen Geschmacksnerven wahrnehmen. 




Vorneweg: Dies ist eine Notiz. Um tagespolitischen Themen gerecht zu werden, ist dies ein formloser Text, der nicht durch die Redaktion lief. Im folgenden will ich meine Impressionen unabhängig von professionellen Analysen darlegen.
Was - nicht nur ich - erwartete war klar: "Mutti" erzählt ruhig und emotionsfrei, wie gut sie regiert hat, und Steinbrück ("Der Hanseat") stolpert von einem Fettnäpfchen ins nächste, ist bissig und herablassend und verliert haushoch. Ganz so ist es nicht geworden.
Doch fangen wir von vorne an. Bereits Tage zuvor wurde die Bevölkerung für diesen Tag vorbereitet. Der Medienzirkus ließ zu jedem Anlass einen Medienelefanten durch die Stadt führen, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen - schließlich ist das Duell ein wahrer Quotensegen. Dank Edmund Stoiber - schließlich Vorsitzender des Beirats dieser Firma - hat dies nun auch ProSieben erkannt, sein bestes Pferd im Stall geschickt und das Event mit an geistigen Barrieren armen Sendungen eingeleitet.
Bei ARD - meine Wahl für diesen Abend - begann das Duell erst 15 Minuten zuvor, mit einem sichtlich aufgeregten Günther Jauch, der sich diesmal noch schwerer tat mit moderieren. Um irgendwie die Viertelstunde zu füllen, gab es erst eine wenig aufschlussreiche Diskussion mit den gescheiterten Ex-Duellanten Steinmeier und Stoiber (letzterer ist dann doch nicht zu seinen Schützling Raab gegangen, und er weiß auch warum) und dann noch eine Ankündigung der Verkündigung von Umfragewerten direkt nach dem Duell, die angeblich aussagekräftig sind (solange man sie nicht mit anderen vergleicht, wie wir am nächsten Morgen erfuhren).
Aber jetzt zum eigentlichen (und auch dank Merkels Abneigung gegen Herausforderern einzigen) Duell. Es stand in einem klinisch reinen Raum statt. Die Gegner waren - wer immer auf die dumme Idee kam - nicht gegenüber, sondern nebeneinander angeordnet, und mussten immer auf die ungleiche Truppe an Moderatoren blicken.
Um es gleich vorab zu sagen: Nein, ich habe nicht zuerst auf Merkels Halskette geguckt. Schließlich war die Auswahl der Farben patriotisch, die Anordnung jedoch misslungen.
Gefesselt hat mich hingegen Steinbrücks Auftaktrede. Auswendig gelernt, mag sein, aber was sagt er da? Er spricht von den Sorgen der kleinen Bürger, die auch mal eine Flasche Wein im Wert von 5€ kaufen anstatt einem Glas im selben Wert. Schockierend. Nicht nur ein echter "Hanseat", sondern auch ein echter Genosse.
Was tat Merkel im Vergleich? Das selbe wie immer. Mit einschläfender Stimme übt sie Selbstlob, gleichzeitig ignoriert sie Feinde und Probleme zu Tode (prominente Opfer neben Steinbrück: NSA-Affäre, Steinmeier, Wulff, Eurokrise und Niedriglöhne).
Kaum Veränderung gab es während des Duell nicht. Allgemein ist wenig geschehen, selbst die CDU-Angie-Fangemeinde schaltete irgendwann ab. Ich jedoch nicht. Den Steinbrück wirkte erwachsen, er weiß jetzt, wie man Fettnäpfchen umgeht. So antwortete er nicht auf die Kanzlerduellfrage. Stattdessen provozierte er mit echten Vorschlägen und Hinweisen auf den Umgang mit den beiden Problemthemen NSA und Horst Seehofer. Nur manchmal ließ er sich bei allzu vollmundigen Versprechen und Vorwürfen an die Regierung erwischen.
Alles im allen wirkte er wie eine Artilleriebatterie, die alles auf Merkel abfeuerte, was sie hatte - nur um endlich eine wunde Stelle zu treffen. Doch Mutti war gut gepanzert, sodass alles an ihr abprallte. Nur wenige Male ließ sie sich dazu hinreißen, den Namen ihres Gegners in den Mund zu nehmen, was das Moderatorenquartett gnadenlos ausschlachtete.
Doch ab und zu - und das traf mich wie ein Schlag - teilte auch sie mal aus, sodass es fast wie eine Diskussion zwischen beiden aussah und nicht wie abwechselnde Monologe. So griff sie immer wieder mit Phrasen an wie "Das weiß die SPD genauso so gut" und "Das wissen Sie, Herr Steinbrück, als ehemaliger Finanzminister, ebenso gut". Unklar ist, was sie damit bezweckte, doch ich vermute es soll eine Art hinterlistiger Angriff auf die Integrität das SPD-Wahlkampfs sein, nach Art des Angriffs von Steinbrück mit dem Mautthema.
Auf diese Weise zog sich das "Duell"( oder nennen wir es lieber Tontaubenschießen?) weiter, wobei Merkel grundsätzlich länger redete und dabei weniger sagte. Die Schlussreden von beiden sollte noch mal ein Highlight werden. Der "Hanseat" erzielte wohl unbewusst eine rhetorische Meisterleistung, indem er die Anfangsrede wiederholte, in der es um den ergebnislosen Kreisverkehr der Regierung ging, welchen er durch die Wiederholung der Rede ja rhetorisch darstellte.
Merkel schaffte es sogar, die Essenz ihrer Politik in nur drei Worte zu fassen: "Sie kennen mich" - soll heißen: Sie wissen, was Sie mit mir kriegen: Nichts. Denn das ist genau dass, was Sie wollen. Es soll sich nichts ändern, damit sie weiter Ihre Ruhe haben.
Damit war das Duell zu Ende. Auch die Moderatoren konnten hier keine Spannung reinbringen, auch wenn sie sich bemüht haben. Zwar kam des öfteren die besondere Persönlichkeit des ein oder anderen Moderators durch, doch verblasste sie gegenüber der des Hampelmann Raabs, dem es noch mächtig an Professionalität angesichts Qualitätsfernsehns fehl. Anders kann ich mir nicht erklären, dass er nicht nur provozierend fragt, sondern nicht akzeptiert, wenn ein Duellant insistiert, eine Frage nach seinem Gusto zu beantworten. Obendrein bezeichnete er auch noch Steinbrück als "King of Kotelett", ein Ausdruck, den selbst gestandene Satiriker ungehen würden (falls sie ihn kennen sollten).Und so plappert er sich in Rage, ohne etwas anderes zu erreichen, als sich  mit beiden Duellanten anzulegen. Da lachen sogar die drei anderen Co-Moderatoren.
Das Nachprogramm habe ich nur noch mit angesehen, um die Ergebnisse zu erhalten. Genau damit hatte die ARD auch gerechnet, denn die "Günther Jauch"-Spezialausgabe war genauso mehrwertsteuer- wie mehrwertfrei, ausgenommen man möchte sehen, wie Alice Schwarzer mal keine Meinung hat oder Politiker ihre/n ParteifreundIn Sieger sehen.
Angesichts meiner Impressionen waren die Endergebnisse der ARD für mich eine Bestätigung, ausgenommen der Teil mit Fairness, der eher das Definitions- und Wahrnehmungsproblem von Fairness darstellt als den Wert an sich. Wären diese Werte einvernehmlich gewesen, so hätten die SPD-Anhänger neuen Mut geschöpft und so eine nicht zu unterschätzende Anzahl an bereits positiv von Steinbrück angesichts der Medienkampagne überraschten Wechselwähler mobilisieren können. Doch die Ergebnisse der anderen Sender überraschten mich heute morgen.
Und so steht fest: Die Demoskopie ist genauso wenig aussagekräftig wie das Duell. Letztlich hätte man sich den Abend auch sparen können, die einzigen echten Ergebnisse sind: Steinbrück kann auch besser, und Raab sollte sich wieder von normalen Bürgen in anspruchslosen Abendshows schlagen lassen, anstatt sich mit gestandenen Politikern anzulegen, weil er vermarktbare Antworten will.

3 Kommentare:

  1. Ein Postskriptum zum TV-Duell in Bayern, Seehofer vs. Ude:
    Insgesamt ein wenn auch weniger spektakuläres, dafür aber besseres Duell.
    Beide Gegner waren sich ebenbürtig und hatten gute Argumente. Dennoch lassen sich Ähnlichkeiten zum oben beschriebenen Duell festmachen: Seehofer lobt sich, Ude attackiert und stellt in Frage, Seehofer diskreditiert Ude (z.B. aufgrund seines München- und Vergangenheitszentrismus). Auch Ude bezieht sich gerne auf abgekupferte Ex-SPD Themen in der CSU. Insgesamt war das Duell - trotz des später durch den Moderator gelobten Kuschelkurses - deutlich agressiver geführt worden, wenn auch noch im angemessenen Rahmen.
    Die Ähnlichkeiten rühren von vergleichbaren Situationen im Bund und in Bayern her: Der Herausforderer ist weit entfernt davon, eine echte Bedrohung zu sein, die wirtschaftliche Lage ist gut und verhindert eine Wechselstimmung. Daher die Situation des Schönredens auf der einen und das Schlechtreden auf der anderen Seite, welche eine echte Diskussion verhindern.
    Wie Merkel wollte Seehofer nicht auf die Schwarz-Grün Koalitionsoption eingehen, obwohl diese, falls die konservativen Wähler seinem Aufruf folgen und beide Stimmen der CSU geben, die einzige Option ist, da die FDP dann wegfällt.
    Aufgrund der für die SPD bereits beinahe hoffnungslosen Situation in Bayern war Bundespolitik auch sehr gefragt, vor allem Mindestlohn und Steuer (bei diesen Diskussionen hätte man die Augen schließen können und man hätte gedacht hier würden Mutti und der Hanseat diskutieren, sie haben halt Halsschmerzen) sowie Maut. Hier hat "Crazy Horst" mal wieder kräftig zugelangt und sich erst als "King of Kotelett" (wie es Raab nennen würde) dargestellt, mit den Versprechen, die Kanzlerin und die EU könnten ihn nicht aufhalten - um dann später dies über Koalitionsverhandlungen zu relativieren. Es ist wohl allen bewusst, dass nach dem 15. Maut kein Thema mehr sein wird.
    Zuletzt noch ein Lob und ein Tadel: Ersteres geht an den Moderator, von dem Raab noch viel lernen kann - gute Leistung. Letzteres geht an den Bayerischen Rundfunk, der nicht nur keine Daten zum Ausgang des Duells lieferte, sondern ernsthaft Ude- und "Crazy Horst"- Anhänger fragte, wer nach ihrer Meinung das Duell gewonnen hatte - als ob hier eine überraschende Antwort zu erwarten wäre!

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  2. An dieser Stelle ist noch zu erwähnen, dass die ARD und der BR nicht die untereste Stufe öffentlich-rechtlicher Qualität im Bezug auf Berichterstattung zu politischen Diskussionen sind: Das ZDF hat allen Ernstes Vertreter der großen Parteien eingeladen, um mit ihnen pseudo-politisches "Eins, Zwei oder Drei" zu spielen, daneben durften sie Scharade spielen (der Politiker musste erklären, das Publikum durfte raten; die beste Figur machte Brüderle - er sollte "Wahlversprechen" erklären, das Volk riefe "FDP!") oder gleich mit zwielichtigen Gestalten aus der Wählerschaft diskutieren.
    Doch wir jammern auf hohem Niveau, verglichen zu den privaten. An Raab haben wir die Pro7-Qualitätsstandards bereits erahnen können. Hier dürfen grenzdebile Dorfschönheiten und schwachsinnig-proletarische Realityshow-Geistbahndarstellerinnen Politiker fragen, wie genau noch mal ihre Partei heißt und ob sie in den letzten Jahren mal auf dem Bravo-Cover waren. Viel zu viele Politiker haben diesen Stumpfsinn über sich ergehen lassen, bis "Dungeon-Master" (so würde die Zielgruppe das nennen) Sigmar Gabriel mit voller Breitseite zurückschlägt. Als eine gefühlt Vierjährige ihn fragt, für was er steht und warum sie ihn wählen sollte, antwortet er agressiv und bissig wie zu seinen besten Zeiten, dass dies ihre Aufgabe als mündige Bürgerin und Wählerin sei, es genug Informationsmedien gäbe und es seine Aufgabe als Politiker sei, Politik zu machen und sich nicht um unfähige Bürger zu kümmern.
    Wenigstens ein Politiker, der nicht alles über sich ergehen lässt. Erstaunlich ist nur, dass selbst solche Marken wie Trittin (bekannt als Darth Vader aus der heute-show) sich ins Bockshorn jagen lassen. Was man nicht alles für die Stimmen der intellektuellen Unterschicht macht!

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  3. Wenn ein ausgestreckter Mittelfinger einem Kanzlerkandidaten unwürdig ist, warum ist dann nicht Apathie angesichts der Ausspähung des eigenen Volkes einer Kanzlerin und sexuelle Belästigung einem liberalen Spitzenkandidaten unwürdig?

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