KW 1
Neues Jahr, neuer Ärger, neue Freude. Doch eines bleibt beim Alten: unsere traditionelle Gelegenheit, die Hoch und Tiefs der Woche in den Kommentaren zu teilen. Heute mit dem Wort der Woche: "Armutszuwanderung".
Wort der Woche:
Armutszuwanderung
Kaum ein Wort (außer vielleicht "Veggie-Day") wurde in letzter Zeit so ideologisch und mit so vielen sich widersprechenden Statistiken diskutiert wie Armutszuwanderung.
Begonnen hat dies unter der Initiative der CSU, die mit der endgültigen (und nach EU-Recht auch zwingenden) Arbeitnehmerfreizügigkeit eine Welle von Sozialversicherungssystemsausbeutern (auch ein Kandidat für das Wort der Woche) auf uns zukommen sah. Konkret heißt das: Die CSU will gegen Leute vorgehen, die nur nach Deutschland kommen, um Hartz IV zu erhalten. Wenn dies wirklich Massen tun würden, dann wäre Deutschland am Ende.
Um dem Vorzubeugen, möchte die CSU in ihrem Papier (und hier sind wir beim Kern der Diskussion) europäische Lösungen finden, die Sozialleistungen für Einwanderer in den ersten 3 Monaten aussetzen und massiv gegen Betrüger und Schwarzarbeiter vorgehen.
Dies ist an sich ein akzeptabler Plan. Interessant ist es, was in den Medien daraus geworden ist.
Natürlich ist es offensichtlich, dass hier ein Stammtischthema aufgegriffen wurde - das ist ja auch ein Merkmal der CSU, "näher beim Volk"; von "Mutti" würde man so was nicht erwarten. Fraglich wurde es nur, als die Diskussion auch das Niveau eines Stammtisches nach der zweiten Maß erreichte, woran alle Beteiligten Schuld tragen.
Plötzlich ging es nämlich gegen Osteruopäer selbst, Sarrazin erhob sich wieder, andere sahen die EU-Verträge gefährdet, da unterstellt wurde, die CSU wolle die Freizügigkeit selbst abschaffen (wie bei "Mia san mia" und der PKW-Maut für Ausländer, als wäre EU-Recht eine Frage des Wollens und nicht des Sollens). Der Höhepunkt war, als sich die Koalition gegenseitig in den Rücken fiel, der rumänische Botschafter wütend wurde und unzählige Statistiken mit sich komplett widersprechenden Aussagen ins Feld geführt wurden.
Was ist nun die Wahrheit? Man kann es nur vermuten. Allen Anschein nach gibt es Armutszuwanderung, aber in keiner relevanten Dimension. Im Gegenzug sind Rumänen und Bulgaren jedoch essentiell für unsere Wirtschaft, da sie den gesamten Billiglohnsektor am Leben erhalten. Die Armutszuwanderung wird durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit kaum berührt, schließlich wird es ja jetzt sogar einfacher für Rumänen und Bulgaren, einen Job zu erhalten. Ebenso konnte keine relevante Armutszuwanderung bei der Öffnung nach Polen beobachtet werden.
Wie kann man nun das Verhalten der CSU bewerten? Sicherlich hat sie ein wichtiges Problem angesprochen. Jedoch war es der falsche Zeitpunkt (so etwas hätte bei der Ausarbeitung des EU-Rechts bedacht werden müssen), die Dimension wurde höchstwahrscheinlich überschätzt und es war nicht möglich, die Kontrolle über die Diskussion zu behalten.
Vielleicht war das auch gar nicht das Kernziel, sondern eher, sich von der CDU zu unterscheiden. Man muss deutlich machen, dass man noch nicht assimiliert wurde und selber agieren kann - und auch mal zubeißen kann, wie beim "Sturz" von Röttgen. Jeder weiß doch: Wer "Mutti" zu ähnlich wird, der wird von der CDU verschluckt - nicht wahr, FDP?
Niklas Götz
Neues Jahr, neuer Ärger, neue Freude. Doch eines bleibt beim Alten: unsere traditionelle Gelegenheit, die Hoch und Tiefs der Woche in den Kommentaren zu teilen. Heute mit dem Wort der Woche: "Armutszuwanderung".
Wort der Woche:
Armutszuwanderung
Kaum ein Wort (außer vielleicht "Veggie-Day") wurde in letzter Zeit so ideologisch und mit so vielen sich widersprechenden Statistiken diskutiert wie Armutszuwanderung.
Begonnen hat dies unter der Initiative der CSU, die mit der endgültigen (und nach EU-Recht auch zwingenden) Arbeitnehmerfreizügigkeit eine Welle von Sozialversicherungssystemsausbeutern (auch ein Kandidat für das Wort der Woche) auf uns zukommen sah. Konkret heißt das: Die CSU will gegen Leute vorgehen, die nur nach Deutschland kommen, um Hartz IV zu erhalten. Wenn dies wirklich Massen tun würden, dann wäre Deutschland am Ende.
Um dem Vorzubeugen, möchte die CSU in ihrem Papier (und hier sind wir beim Kern der Diskussion) europäische Lösungen finden, die Sozialleistungen für Einwanderer in den ersten 3 Monaten aussetzen und massiv gegen Betrüger und Schwarzarbeiter vorgehen.
Dies ist an sich ein akzeptabler Plan. Interessant ist es, was in den Medien daraus geworden ist.
Natürlich ist es offensichtlich, dass hier ein Stammtischthema aufgegriffen wurde - das ist ja auch ein Merkmal der CSU, "näher beim Volk"; von "Mutti" würde man so was nicht erwarten. Fraglich wurde es nur, als die Diskussion auch das Niveau eines Stammtisches nach der zweiten Maß erreichte, woran alle Beteiligten Schuld tragen.
Plötzlich ging es nämlich gegen Osteruopäer selbst, Sarrazin erhob sich wieder, andere sahen die EU-Verträge gefährdet, da unterstellt wurde, die CSU wolle die Freizügigkeit selbst abschaffen (wie bei "Mia san mia" und der PKW-Maut für Ausländer, als wäre EU-Recht eine Frage des Wollens und nicht des Sollens). Der Höhepunkt war, als sich die Koalition gegenseitig in den Rücken fiel, der rumänische Botschafter wütend wurde und unzählige Statistiken mit sich komplett widersprechenden Aussagen ins Feld geführt wurden.
Was ist nun die Wahrheit? Man kann es nur vermuten. Allen Anschein nach gibt es Armutszuwanderung, aber in keiner relevanten Dimension. Im Gegenzug sind Rumänen und Bulgaren jedoch essentiell für unsere Wirtschaft, da sie den gesamten Billiglohnsektor am Leben erhalten. Die Armutszuwanderung wird durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit kaum berührt, schließlich wird es ja jetzt sogar einfacher für Rumänen und Bulgaren, einen Job zu erhalten. Ebenso konnte keine relevante Armutszuwanderung bei der Öffnung nach Polen beobachtet werden.
Wie kann man nun das Verhalten der CSU bewerten? Sicherlich hat sie ein wichtiges Problem angesprochen. Jedoch war es der falsche Zeitpunkt (so etwas hätte bei der Ausarbeitung des EU-Rechts bedacht werden müssen), die Dimension wurde höchstwahrscheinlich überschätzt und es war nicht möglich, die Kontrolle über die Diskussion zu behalten.
Vielleicht war das auch gar nicht das Kernziel, sondern eher, sich von der CDU zu unterscheiden. Man muss deutlich machen, dass man noch nicht assimiliert wurde und selber agieren kann - und auch mal zubeißen kann, wie beim "Sturz" von Röttgen. Jeder weiß doch: Wer "Mutti" zu ähnlich wird, der wird von der CDU verschluckt - nicht wahr, FDP?
Niklas Götz
Freude : Im letzten Jahr gab es einen Rekord bei den Arbeitnehmer in Deutschland. 41,7 Mio. Menschen waren in einem Beschäftigungsverhältnis. So viel wie nie.
AntwortenLöschenGleichzeitig will die Deutsche Wirtschaft in 2014 bis zu 210 000 neue Stellen schaffen
http://www.n-tv.de/wirtschaft/Zahl-der-Beschaeftigten-auf-Rekordniveau-article12004001.html
Ärger: jetzt am Jahresanfang ist das Thema Diät und Abnehmen wieder groß in den Medien. Überall liest und hört man Vorschläge wie man seine überzähligen Pfunde verliert. Gleichzeitig verhungern täglich tausende Menschen irgendwo auf der Welt. Jeder Mensch auf der Welt hat Sorgen. Wessen Sorgen sind die Größeren ?
Zum Thema „Armutszuwanderung:
Ich sehe die Sache ganz anders. Die CSU hat keine Angst von der CDU untergebuttert zu werden. Wie auch ? Die CDU nimmt der CSU ja keine Stimmen weg. Das ist bei der FDP anders gewesen. Die Sache ist so: Da die Union eine Volkspartei ist gibt es eine Arbeitsteilung. Die CSU deckt den rechten Rand des eigenen politischen Spektrums ab ( ländliche Bevölkerung, patriotisch Gesinnte, Wertkoservative, Kirche) , die CDU kümmert sich um den linken Rand (städtische Schichten, SPD-nahe, „moderne Volkspartei). Wenn also die CSU diese Thema aufwirft, fühlen sich der rechte Rand aller Unionswähler verstanden. Wenn die CDU (so wie NRW-Laschet) eine anderer Ansicht kommuniziert, wird auch das linke Unions-Spektrum bedient. Somit vereint die Volkspartei alle Meinungen zu diesem Thema in sich. Meiner Meinung nach ist diese Diskussion von den beiden Parteien abgestimmt und Teil des Europa-Wahlkampfes. Das Timing ist auch sehr gut. Außer Schumacher gibt es aktuell keine großen Themen in den Medien. Worüber sollen die Zeitungen schreiben?
Freude: Justizminister Maas hat die Vorratsdatenspeicherung bis zur Entscheidung des EuGHs auf Eis gelegt. Sehr vernünftig, lieber Freiheiten zu erhalten, als zu riskieren, dass man Unrecht begeht.
AntwortenLöschenÄrger: Bangladesh zerfällt im Chaos. Nach einer Verfassungsänderung der Präsidentin, welche die Fortführung ihrer Regierung bis zu den Wahlen ermöglichte, boykottierte die Opposition die Wahlen, ordnete einen Generalstreik an und attackierte Wähler. Es wurden gar keine Wahlbeobachter geschickt, denn es war zu erwarten dass sich durch die Wahlen nichts ändert.
Bedauerlicherweise wieder eine Demokratie, die zerfällt - vorerst.
Auch zum Thema "Armutszuwanderung":
Du hast sicherlich auch recht - wobei das ein schlechtes Licht auf die Integrität der Union werfen würde - aber du darfst nicht vergessen, dass die CSU gegenüber der bayerischen Opposition immer ein Ass im Ärmel hat: Sie hat eine eigene Bundeslinie. Obwohl sie nur in Bayern antritt, kann sie im Bund eigenständige Politik machen.
Ein Problem hat das ganze: Sie muss sich in der Union auch eigenständig beweisen, sie darf nicht gegen die Kanzlerin verblassen, ansonsten verliert sie dieses Ass.
Deshalb macht sie manchmal - satirisch gesprochen - "Zwergenaufstand".
Freude: ein norwegisches Kriegsschiff ist gerade unterwegs, die syrischen Giftwaffen einzusammeln.
AntwortenLöschenÄrger: Schumacher, Schumacher, wo auch immer man hinschaut in den Nachrichten. Mittlerweile leicht übertrieben, finde ich.
Nachtrag: deutschen Prominenten sollten Skifahrverbot kriegen... Jetzt hat es Merkel auch noch erwischt!
LöschenProminente vielleicht nicht - für Politiker wäre es vielleicht sinnvoll, denn schließlich wird die Handlungsfähigkeit des Staates verringert, wenn Spitzenpolitiker ausfallen.
LöschenUnd das war jetzt nicht satirisch. ;)
Das Verbot bestimmer Sportarten wäre arbeitsrechlich sogar legal. Soweit ich informiert bin haben Spitzensportler wie Bundesligaprofis oder F1-Fahrer ein Verbot der Ausübung bestimmer Sportarten in ihrem Vertrag.Warum kann man das nicht auch für Minister einführen ?
LöschenJa, so etwas wäre unterstützenswert. Es hätte ja auch schlimmeres passieren können. Und wer würde bestreiten, dass ein Spitzenpolitiker ebenso wichtig ist wie ein Spitzensportler?
LöschenFreude: Selbst die Bahn will Pofalla nicht mehr. Pofalla mangelt es offenbar am Timing. Zur falschen Zeit die NSA-Affäre für beendet erklären, zur falschen Zeit in die Wirtschaft wechseln. So kann man sich überall unbeliebt machen.
AntwortenLöschenÄrger: Gesundheitsminister Gröhe will Sterbehilfe noch weiter einschränken. Nun soll auch noch Beihilfe zum Suizid unter Strafe stehen.
Anscheinend hat da jemand nicht gemerkt, in welcher Zeit wir leben.
In welchen Zeiten leben wir denn ?
LöschenIn Zeiten, in denen Skrupel, geboren von veralteten Tabus, abgelegt werden hin zu neuer Menschlichkeit.
LöschenDer Grundsatz des Rechts auf Leben sollte nicht nur implizieren, das Leben, welches ja Eigentum der Person ist, nicht abgeben zu müssen, wenn man es behalten möchte, sondern es auch abgeben zu dürfen, wenn man es nicht behalten möchte.
AntwortenLöschenElisa:
AntwortenLöschenzu Profalla:da machen wir Deutschen uns wieder mal Probleme wo andere Länder keine haben. Warum soll ein Wechsel aus der Wirtschaft in die Politik und umgekehrt falsch sein. In den USA ist das Routine. Und das Land funktioniert seit 1776.
In diesem Fall kommt noch hinzu, dass die Bahn sowieso ein Staatskonzern ist. Die Bahn ist Eigentum des Bundes, fast eine Behörde. also wechselt Profalla von einer "Behörde" in die andere... ich sehe das absolut schmerzfrei
übrigens: die Liste der Politiker welche nach Ihrer Dienstzeit in die Wirtschaft gewechselt sind ist sehr lang. Und zwar parteiübergreifen. wenn Du willst sende ich ein paar Beispiel.
Diese Diskussion zu Profalla ist ein Strohfeuer. Zumal er wie gesagt nicht mal in "die Wirtschaft" wechselt.
Pofalla hat auch gewissen Beispielcharakter. Es ist einfach, Pofalla für einen Wechsel zur Bahn anzuklagen, als einen Politiker aus der dritten Reihe (dafür mit exzellenten Kontakten) direkt in die hohen Etagen eines Großkonzerns - und umgekehrt, vom Großkonzern in die Ministerien, ebenso.
LöschenFakt ist: die Verzahnung von Wirtschaft und Staat muss eingeschränkt werden - egal wie gut das Feindbild Pofalla ist oder nicht.
Was ich an Profalla kritisieren muss ist, dass er als MdB zur Bundestagswahl angetreten ist, obwohl er schon wusste oder das Ziel hatte zur Bahn zu wechseln. Das war unredlich.
LöschenSeine Wähler in Kleve haben ihn in der Erwartung gewählt, dass er sie 4 Jahre in Berlin vertritt. Er hat sich als Kandidat aufstellen lassen und damit das Versprechen abgegeben MdB seines Wahlkreises zu sein. Indem er das Bundestagsmandat angenommen hat ist meines Erachtens quasi ein Arbeitsvertrag mit den Bürgern seines Wahlkreises zustande gekommen. Wenn nicht juristisch, dann zumindest moralisch.
Warum kann ein Bundestagsmitglied den „Arbeitsvertrag“ mit seinen Wählern vorzeitig kündigen? Die Wähler des Wahlkreises können Ihren Bundestagsabgeordneten auch nicht vorzeitig ablösen. Warum kann er vorzeitig gehen. Warum gibt es keine Kündigungsfristen für MdB? Im klassischen Arbeitsleben gibt es Kündigungsfristen. Warum nicht auch für Politiker?
Eine Kündigungsfrist für Abgeordnete klingt sinnvoll.
LöschenBesonders delikat ist auch der Fakt, dass Pofalla damals bei Schröders Gazpromwechsel äußerst scharfe Kritik geübt hat...
LöschenWollt nochmal die Armutszuwanderung aufgreifen. Nun sind die ersten Monate vergangen und es scheint nicht so als ob sich die Befürchtungen bewahrheitet haben. Ein Aufschrei ist bisher ausgeblieben.
AntwortenLöschenGut beobachtet.
LöschenMittlerweile interessiert es niemanden mehr. War wohl nur unnötige Panikmache.
Wie erwartet.